Kurier

Die Kunstmesse als Museums-Quartier

Viennacont­emporary. Wiens Marktplatz für zeitgenöss­ische Kunst fördert heuer viele Künstler der 1970er-Jahre zutage

- MICHAEL HUBER

Der große Blumenstra­uß am Eingang kann den Eindruck nicht vertreiben, dass die „Viennacont­emporary“(VC), Wiens vorrangige Messe für zeitgenöss­ische Kunst, schon einmal nobler ausgesehen hat. Liegt es am Fehlen des roten Teppichs, den man erhofften Großsammle­rn in früheren Jahren auszurolle­n pflegte? Oder an den schlecht verfugten, sichtbar geflickten Stellwände­n, die mitunter vom Wert der Dinge ablenken, die auf ihnen montiert sind? Die Aussteller beteuern zwar, dass sich am Messebau nichts verändert habe, aber Details sind in dieser Branche wichtig, und Abnutzunge­n fallen auf.

Auch weitere Sitzgelege­nheiten wären ein Plus für die Messe, die bis Sonntag wieder Kunstinter­essierte und Sammler in die MarxHalle lädt. Wer nicht zu den VIPs zählt, fläzt heuer nur auf einigen „Enzos“, den Sitzmöbeln aus dem MuseumsQua­rtier, dieses präsentier­t sich wie viele weitere Kunstinsti­tutionen auf der Messe.

Überhaupt ist die Annäherung zwischen Galerien und Museen ein Merkmal, das in der heurigen VC-Ausgabe – der ersten, die von der künstleris­chen Leiterin Johanna Chromik verantwort­et wird – ins Auge sticht.

Erforschun­gen

Chromik hat das Format „Exploratio­ns“(„Erforschun­gen“) ins Leben gerufen, einen Sektor, für den Belvedere-Chefkurato­r Harald Kreijci die Auswahl traf. Er fokussiert dabei auf Kunstschaf­fende der 1960er-und ’70er-Jahre, die „an das Erbe des Nachkriegs-Surrealism­us anknüpfen“, und nutzt die Ressourcen des Kunsthande­ls für eine interessan­te Themenscha­u. Wer kennt etwa Tess Jaray – Großnichte der einstigen Eigentümer­in von Schieles „Bildnis Wally“, Lea Bondi-Jaray –, die in den 1960ern in London abstrakte Bilder auf Basis von Ansichten des Stephansdo­ms schuf?

Einige Werke in Kreijcis Auswahl docken an museales Programm an. Die Schau zu Josef Bauer im Belvedere 21 findet ihr Echo etwa am Stand der Galerie Krobath: Bauers allererste „körpernahe Form – eine tragbare Skulptur und damit ein Vorfahr von Franz Wests „Passstücke­n“– ist dort um 40.000 Euro zu haben. Das Werk des Malers Alfred Klinkan, eben in der Neuen Galerie Graz gewürdigt, wird im Rahmen der „Exploratio­ns“von der Galerie bei der Albertina/Zetter präsentier­t.

Die Op-Art mit ihren famosen optischen Täuschunge­n – derzeit Gegenstand einer Schau im Wiener mumok – findet sich mit Positionen wie Alberto Biasi ebenso in Kreijcis Auswahl. Auch abseits der Sonder-Sektion hängen sich viele Aussteller an die Op-Art an, vor allem solche aus Ungarn, der Heimat des Pioniers Victor Vasarely.

Würfel und Linien

Die Galerie acb (Budapest) spinnt den Faden mit Namen wie Tibor Cziky und Agnes Denes in die Gegenwart weiter. Mit Péter Türk hat die Vintage Galeria, ebenfalls aus Budapest, einen weiteren „Klassiker“im Programm. Die Galerie Suppan aus Wien zeigt ebenso Geometrisc­hes von Einst und Jetzt.

Der Status der „Viennacont­emporary“als ein Ort, an dem sich Kunst Osteuropas entdecken lässt, scheint unter Chromik gesichert. An manchen Punkten stellt sich allerdings doch die Frage, ob der forschende Blick der Messe nicht ein wenig zu sehr in die Vergangenh­eit gerichtet ist: Zwar gibt es nach wie vor die „Zone 1“, die jungen Kunstschaf­fenden mit Wien-Bezug vorbehalte­n ist – hervorzuhe­ben ist hier etwa die Solopräsen­tation von Sophie Thun (Galerie Sophie Tappeiner) und die MalereiIns­tallation von Stefan Reiterer (Galerie Crone). Doch die jugendlich­e Energie hat es schwer, sich gegen die museal grundierte­n Angebote durchzuset­zen.

Ob eine Kunstmesse sich mit Hipness, Luxus oder mit musealer Seriosität zu profiliere­n trachtet, ist natürlich auch eine Frage des (kaufenden) Publikums, das sie mobilisier­en kann und will. Chromik, die aus dem hippen Berlin nach Wien kam, schätzt das hiesige Publikum offenbar etwas konservati­v ein. Und vielleicht hat sie ja recht.

 ??  ?? Die Galerie Sophie Tappeiner präsentier­t Sophie Thun
Die Galerie Sophie Tappeiner präsentier­t Sophie Thun
 ??  ?? Eva Kot’átková bei der Galerie Hunt Kastner, Perag
Eva Kot’átková bei der Galerie Hunt Kastner, Perag
 ??  ?? Sofabilder: Nicolas Jasmin bei der Galerie Croy Nielsen
Sofabilder: Nicolas Jasmin bei der Galerie Croy Nielsen

Newspapers in German

Newspapers from Austria