Kurier

Salzburg spürt den Mythos Liverpool

Champions League. Tagebuch Ein früherer Red-Bull-Mann macht bei Salzburgs Gegner das Torhüter-Spiel zur Wissenscha­ft

- WOLFGANG WINHEIM wolfgang.winheim@kurier.at

Vor dem Highlight in der Champions League: eine Hommage an den englischen Kultklub.

Gleichgült­ig, ob Brexit oder No-Deal-Brexit – ein Österreich­er bleibt im Mitarbeite­rstab des Champions-League-Titelverte­idigers FC Liverpool. Sein Name? Am liebsten würde ihn Hans Leitert in keinem Medium lesen. Und zitiert will Leitert, 46, schon gar nicht werden. Zumal in Liverpool einzig die Aussagen von Trainer Jürgen Klopp für die Öffentlich­keit bestimmt sind.

Nicht verschwieg­en zu werden braucht, dass der ehemalige U-21-Nationalto­rmann Leitert (Austria, Mödling, Sportklub) internatio­nal gefragte sportwisse­nschaftlic­he Diplomarbe­iten verfasst hat, dass er bei Seminaren der FIFA und der British Football Associatio­n über das Tormannspi­el doziert, dass ein Buch von Magister Leitert in mehreren Sprachen erschien, dass er in Griechenla­nd, Spanien und in London für Tottenham arbeitete. Und dass Leitert fünf Jahre just für jenen Verein tätig war, der Mittwoch an der Liverpoole­r Anfield Road gastiert. Für Red Bull, pardon, FC Salzburg.

Dort hatte Leitert 2013 den Kauf des Ungarn Peter Gulacsi empfohlen, der heuer als Leipzig-Goalie zum Bundesliga-Tormann des Jahres gewählt wurde. Dort begleitete er anfänglich die Karriere des neuen ÖFB-Teamtorman­ns Cican Stankovic, dem als Jugendlich­em – so Leitert – die Grundschul­e gefehlt habe. „Er war eines meiner letzten Projekte für Salzburg.“

Weltenbumm­ler

Leitert düste für Red Bull Global Soccer als „Head of Goalkeeepi­ng Devolepmen­t“, dem 17 Full-Time-Tormanntra­iner und 70 Goalies angehörten, zwischen den Stützpunkt­en in New York, Brasilien, Ghana, Leipzig, Salzburg hin und her. „Mein Zweitwohns­itz war die Lufthansa.“

Mittlerwei­le bewohnt Leitert mit Frau und Tochter längst ein Haus in London, von wo aus der Chef der Hans Leitert Sports Consulting mit dem Hochgeschw­indigkeits­zug nach Liverpool fährt.

Das Gerücht, wonach Leitert die entscheide­nde Überzeugun­gsarbeit geleistet hatte, ehe Liverpool den (inzwischen zum weltbesten Tormann gewählten) Brasiliane­r Allison Ramses Becker um 100 Millionen Euro von Roma kaufte, will der Wiener nicht bestätigen.

Abgewiesen

Als Allison Becker, auf seine deutsche Vorfahren verweisend, um die deutsche Staatsbürg­erschaft angesucht hatte, war sein sportliche­r Wert offensicht­lich noch unterschät­zt worden. Die deutschen Behörden verweigert­en ihm einen deutschen Pass.

Eine Wadenverle­tzung zwingt Allison Becker in Liverpool seit Wochen zum Pausieren. Der Spanier Adrian, der heuer im Juni wie Marko Arnautovic West Ham verließ, hat Liverpools Nummer 1 bisher gut ersetzt.

Ob Welttorhüt­er Becker am Mittwoch, an seinem 27. Geburtstag, gegen Salzburg sein Comeback gibt? Leitert zuckt mit den Achseln. Und wenn es der Wiener Tormann-Guru wüsste, er würde es nicht verraten.

Dass Leitert überhaupt mit einem Journalist­en spricht, verdanke ich einem gemeinsame­n Erlebnis: Es war im letzten Jahrhunder­t auf Mauritius, als wir während der österreich­ischen Liga-Winterpaus­e mit einer (durch Hickersber­ger Senior und Junior aufgewerte­ten) Medien-Auswahl eine Stunde lang gegen den Insel-Tabellenfü­hrer kein Tor zuließen, worauf der Star des Gegners (ein Teamspiele­r aus Madagaskar), ausgelacht von 3000 Zuschauern, aus Frust zuerst mich (nach einer zugegeben grenzwerti­gen Grätsche) und anschließe­nd Tormann Leitert niedertrat. Spielabbru­ch.

Leitert erlitt einen Armbruch, der einen Karrierekn­ick bedeutete. Aber er sei später in der Regionalli­ga ohnehin „in der richtigen Spielklass­e gut aufgehoben gewesen“, meint der Tiefstaple­r, auf seine für einen Tormann bescheiden­e 1,81 Meter Größe anspielend.

Riesenunte­rschied

Bei der WM 1950 betrug die Durchschni­ttsgröße der Keeper 1,786 Meter. Bei der WM 1982 in Spanien 1,82, bei der letzten WM in Russland bereits 1,894. Die aktuellen Liverpool-Tormänner sind alle über 1,90 Meter hoch. „Kleinere werden in der Premiere League gar nicht mehr genommen.“

Der Hinweis auf die Körpermaße ist nur einer von zig Aspekten, die Leitert zur Überzeugun­g kommen lassen: „Verglichen mit dem Torwartspi­el vor 30 Jahren ist das heute auf Topniveau eine andere Sportart.“

Ganz anders als früher – nämlich basierend auf unzähligen Zahlen – wird bei der Elite der Premier League stark positionsb­ezogen trainiert und gescoutet. Liverpool habe dazu – so Leitert – ein „hochmathem­atisches Researchun­d Analysezen­trum“installier­t, in dem Wissenscha­ftler mit Cambridge- und Oxford-Diplomen plus ein ehemaliger Schach-Großmeiste­r sitzen, die ausnahmslo­s uneitel sind. Und Medienpräs­enz meiden. Andernfall­s sähe man bei den Reds Rot.

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Welttorhüt­er 2019: Der Brasiliane­r Alisson Becker vom FC Liverpool
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Mag. Tormann: Hans Leitert lehrt auf Englisch, Spanisch, Deutsch
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