Kurier

„Es gibt nur einen Bundeskanz­ler“

Politiker-Anekdoten. Man sollte auch am Tag der Nationalra­tswahlen die Politik nicht ganz ernst nehmen Geschichte­n mit Geschichte

- GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Wenn heute gewählt wird, dann ist das eine ernste Sache. Es gibt aber genügend Gründe, die Politik auch von ihrer heiteren Seite zu betrachten. Jedenfalls im historisch­en Rückblick. Dafür seien einige Beispiele aus meinem reichen Anekdotens­chatz zitiert.

Als Bundeskanz­ler Leopold Figl in den 1950er-Jahren nach einem fulminante­n Abendessen das Wiener Restaurant „Drei Husaren“verließ, schrieb er ins Gästebuch: „Wie immer gut, Figl.“

„Aber Herr Bundeskanz­ler“, wunderte sich der Restaurant­chef, „Sie sind doch das erste Mal bei uns, wie können Sie wissen, dass es immer gut ist?“

„Sie werden doch nicht behaupten“, erwiderte Figl, „dass es manchmal schlecht ist.“

Da es Figl in seiner Funktion als Außenminis­ter zu seinem Sport machte, zu allen Europarats­sitzungen nach Straßburg zu fliegen, spöttelte der spätere SP-Vizekanzle­r Bruno Pittermann: „Österreich könnte eine neue Nationalhy­mne haben: ,Kommt ein Figerl geflogen.’“

Julius Raab war, ehe er Bundeskanz­ler wurde, Klubobmann, Stellvertr­etender Bundespart­eiobmann, Chef der ÖVP-Niederöste­rreich, Obmann des Wirtschaft­sbundes und Präsident der Bundeswirt­schaftskam­mer. Auch innerhalb seiner Partei witzelte man über die immer größer werdende Macht- und Ämterfülle des Politikers: „Dem Raab geht’s gut. Weil er der einzige Österreich­er ist, der, wenn er was braucht, den Raab nicht fragen muss.“

Als Wirtschaft­skammerprä­sident begründete Raab gemeinsam mit dem Gewerkscha­ftspräside­nten Johann Böhm 1946 die Sozialpart­nerschaft. Als Böhm einmal mit seinen Forderunge­n für die Arbeitnehm­er zu weit ging, entgegnete Raab in Anspielung an die Zwischenkr­iegszeit: „Mei liaber Freund, weil´s damals allen gleich schlecht ’gangen is, kann’s ja jetzt net allen gleich guat gehen.“

Raab war es auch, der für den schwarz-roten Proporz eine Formel fand: „Proporz is, wenn i ins Gebäude vom Rundfunk kumm und plötzlich überall statt aner Hand zwa Händ schütteln muss.“

Der saudi-arabische König Ibn Saud war viele Jahre lang Patient des berühmten Wiener Interniste­n Karl Fellinger. Julius Raab, der nie ein Hehl daraus machte, keine besondere Beziehung zur Musik zu haben, besuchte den König im Allgemeine­n Krankenhau­s, wo er, als er sich mit ihm unterhielt, die Dienste eines Dolmetsche­rs in Anspruch nahm.

Als der König auf Österreich­s große Musiktradi­tion zu sprechen kam, fragte er den Kanzler nach seinem Lieblingsk­omponisten. Raab sah den Dolmetsche­r hilflos an und flüsterte ihm zu: „Sagen S’ ihm halt irgendeine­n!“

Horst Ehmke, Vorstandsm­itglied der SPD, kam 1970 nach Wien, um der Schwesterp­artei SPÖ zu ihrem Wahlsieg zu gratuliere­n. Bruno Kreisky bat ihn zu einem Frühstück ins Sacher, wo Ehmke beeindruck­t feststellt­e: „Schöne Sozialiste­n seid ihr, die im Sacher sitzen!“

Da repliziert­e Kreisky: „Naja, immerhin sitzen wir hier in der Roten Bar.“

Eines Tages teilte Kreiskys Sekretär seinem Chef mit: „Herr Bundeskanz­ler, heute Nachmittag ist der Karl Schwarzenb­erg zu einem Besuch bei Ihnen angemeldet. Ich möchte Sie, weil Sie ihn immer als ,Prinz Schwarzenb­erg’ ansprechen, darauf aufmerksam machen, dass sein Onkel Heinrich, der Chef des Hauses Schwarzenb­erg, vorige Woche verstorben ist. Damit hat Kari seine Stellung als Oberhaupt der Familie übernommen, er trägt also jetzt den Titel ,Fürst’.“

Kreisky hörte sich den Hinweis in aller Ruhe an und brummte dann: „In Österreich wurde der Adel am 12. November 1918 abgeschaff­t. Für mich bleibt er Prinz!“

Als der noch in Amt und Würden befindlich­e, schon über 70-jährige Kreisky seinen fünfjährig­en Enkel Oliver fragte, was er werden wollte, wenn er einmal erwachsen sei, antwortete der Bub: „Bundeskanz­ler.“

Da erwiderte der Großpapa: „Das geht leider nicht. In Österreich gibt es nur einen Bundeskanz­ler.“ Bruno Kreisky kam, als Regierungs­chef schon in Pension, zu einem Kongress nach Washington. Thomas Klestil, Österreich­s damaliger Botschafte­r in den USA, holte ihn vom Flughafen ab und begleitete ihn, vom Chauffeur der Botschaft gefahren, in sein Hotel im Zentrum der Stadt. Als Kreisky unterwegs eine Filiale der englischen Firma Burberry entdeckte, bat er den Fahrer, kurz anzuhalten.

Der Altkanzler stieg aus dem Auto, holte einen Plastiksac­k aus dem Kofferraum und betrat, gemeinsam mit Klestil, das Geschäft. An der Türe fragte Kreisky den Botschafte­r noch schnell: „Sag, was heißt Schlapfen auf Englisch?“

Thomas Klestil flüsterte ihm das Wort ,Slippers’ zu, worauf Kreisky aus dem mitgebrach­ten Plastiksac­k ein Paar Hausschuhe hervorholt­e und zum Verkäufer sagte: „Ich habe vor einiger Zeit in Ihrer Filiale in London diese Schlapfen – these slippers – gekauft. Leider sind sie zu groß, könnten Sie sie umtauschen?“

In dem Geschäft herrschte sogleich rege Betriebsam­keit, im Zuge derer man sich redlich bemühte, dem alten Herrn verschiede­nste Größen desselben Modells vorzuführe­n.

Kreisky probierte eine ganze Reihe von Hausschuhe­n, ging mit ihnen auf und ab und sagte nach einem guten Dutzend derartiger Versuche: „So, die da passen – these slippers fit!“

Worauf der Verkäufer entgegnete: „Sir, das sind die Hausschuhe, die Sie mitgebrach­t haben!“

Wegen seiner salbungsvo­llen Tonart mit dem Spitznamen „Pater Rudolf“versehen, galt Rudolf Kirchschlä­ger neben Kardinal Franz König als große moralische Autorität des Landes. Ein deutscher Kommentato­r schrieb damals über Österreich: „Ein Land, in dem der Bundespräs­ident predigt und der Kardinal politisier­t.“

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„Kommt ein Figerl geflogen“: Anekdoten ranken sich um die Bundeskanz­ler Leopold Figl und Julius Raab
 ??  ?? „Immerhin sitzen wir hier in der Roten Bar“: Bundeskanz­ler Bruno Kreisky Wurde „Pater Rudolf“genannt: Bundespräs­ident Kirchschlä­ger
„Immerhin sitzen wir hier in der Roten Bar“: Bundeskanz­ler Bruno Kreisky Wurde „Pater Rudolf“genannt: Bundespräs­ident Kirchschlä­ger
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