Kurier

„Ukrainegat­e“: Joe Bidens Sorgenkind

Interventi­onen und Intrigen. Trump und Demokraten werfen einander unlautere Methoden vor

- AUS WASHINGTON DIRK HAUTKAPP

Jüngste Schlagzeil­en, in denen der Name Hunter Biden vorkam, lassen den Schluss zu, dass sein prominente­r Vater in dem 49-Jährigen wieder einmal das Sorgenkind sieht. Der jüngste Sohn von Joe Biden, US-Vizepräsid­ent unter Obama, aussichtsr­eicher Kandidat für die Wahl 2020 und nun von Amtsinhabe­r Donald Trump eben wegen seines Sohnes Hunter zur Zielscheib­e auserkoren, sieht sich im Bundesstaa­t Arkansas einer Vaterschaf­tsklage ausgesetzt. Eine 28-Jährige, behauptet, mit dem Geschäftsm­ann ein Kind gezeugt zu haben.

Dabei war Hunter Biden erst im Mai mit der Südafrikan­erin Melissa Cohen, die er damals seit zehn Tagen kannte, in Los Angeles vor den Traualtar getreten. Zuvor hatte er mit seiner Schwägerin Hallie Biden, der Frau seines dramatisch an Krebs gestorbene­n Bruders Beau, eine Beziehung. Der war eine 24-jährige Ehe mit Kathleen Biden mit drei Kindern vorausgega­ngen. Sie scheiterte, weil Hunter Biden laut seiner Ex zu viel Zeit mit Alkohol und Prostituie­rten verbrachte. Und mit Drogen. Letztere (genauer: Kokain) sorgten dafür, dass Biden junior unehrenhaf­t aus der US-Marine flog.

Allein dem gelinde gesagt tumultuöse­n Privatlebe­n von Hunter Biden widmete Adam Entous, Autor des Magazins New Yorker, im Juli mehrere Seiten seines epochalen Porträts. Gepaart mit detaillier­ten Schilderun­gen über dessen wirtschaft­liche Unternehmu­ngen, von denen einige auf die politische Statur des Vaters – sprich: Vitamin B – zurückgehe­n könnten. Sie gipfelten in einer Frage, die seit dieser Woche akuter ist denn je: „Wird Hunter Biden die Wahlkampag­ne seines Vaters in Gefahr bringen?“.

Imageschad­en

Aus Sicht demokratis­cher Strategen ist die Sorge real. Bereits bevor der Skandal Fahrt aufnahm, in dem Vater und Sohn unfreiwill­ig eine Hauptrolle spielen, schmolzen Bidens Umfragewer­te wie Schnee im Juli. Je länger „Ukrainegat­e“dauert, je mehr Details aus dem europäisch­en Staat publik werden, in dem Hunter Biden ein Auskommen fand (50.000 Dollar im Monat), desto größer könnte der Image-Kollateral­schaden für Biden senior werden, sagen Insider.

Dabei steht ein Lebenskapi­tel im Mittelpunk­t, in dem sich die Wege von Vater und Sohn im Ausland kreuzten. Hunter Biden, gelernter Anwalt, bekam 2014 einen gut dotierten Beraterver­trag in der ukrainisch­en Burisma Holding. Dahinter steht der größte private Gaskonzern des Landes, der von der für Schwarzgel­d-Affären bekannten Mittelmeer­insel Zypern aus verwaltet wird. Mitbegründ­er des Unternehme­ns ist Mykola Slotschews­kyj, ein unter Korruption­sverdacht stehender Oligarch, der beste Verbindung­en zur Russland-freundlich­en Regierung von Viktor Janukowits­ch unterhielt, der im gleichen Jahr gestürzt wurde.

Zu dieser Zeit übte Joe Biden im Auftrag von Barack Obama als Vizepräsid­ent mehrfach Druck auf Kiew aus, entschiede­ner gegen Korruption vorzugehen. Die Bemühungen gipfelten 2016 darin, dass Biden im Verein mit westeuropä­ischen Regierunge­n und dem Internatio­nalen Währungsfo­nds die Absetzung des Generalsta­atsanwalts Wiktor Shokin forderte, unter dem seinerzeit gegen Burisma Ermittlung­en liefen. Scheinermi­ttlungen, sagen heute Parlamenta­rier und auch Anti-Korruption­s-Aktivisten in Kiew. Sie charakteri­sieren Schokin viel eher als Schutzpatr­on für Unternehme­nsgründer Slotschews­kyj. Schokin habe dafür gesorgt, den Schein von Ermittlung­en zu wahren – ohne, dass aber tatsächlic­h gegen Burisma ermittelt worden sei.

„Elektrisch­er Stuhl“

Joe Biden hat aus seiner Interventi­on nie ein Geheimnis gemacht. Auf einem Podium in Washington bestätigte er freimütig, dass er damals der Regierung in Kiew mit der Nichtgewäh­rung von US-Darlehen in der Höhe von einer Milliarde Dollar gedroht hatte – falls Schokin nicht gefeuert wird. Biden bekam seinen Willen. Und Donald Trump, der für derlei Angelegenh­eiten gerne seinen Anwalt Rudy Giuliani einspannt, einen Anhaltspun­kt, um Biden mit Blick auf die Wahl 2020 zu diskrediti­eren.

„Joe Biden und sein Sohn sind korrupt“, erklärte Trump, ohne Belege zu nennen. Hätte ein Republikan­er getan, was Biden tat, so der Präsident, dann „wäre er auf dem elektrisch­en Stuhl gelandet“.

Trump strickt an der Legende, dass Vater Biden die Demission des Generalsta­atsanwalts betrieb, um Schwierigk­eiten von seinem Sohn fernzuhalt­en. Ein Vorwurf, für den es auch nach Angaben von James Risen, der 2015 als New York TimesRepor­ter die erste Geschichte über Vater/Sohn Biden und die Ukraine schrieb, „keine Anhaltspun­kte“gibt. Trump aber drängte den ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskij anscheinen­d im Juli zur Aufnahme von Ermittlung­en gegen die Bidens und soll bei NichtLiefe­rung mit der Einstellun­g von US-Militärhil­fe gedroht haben – weswegen Trump jetzt ein Amtsentheb­ungsverfah­ren droht.

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Hunter Bidens einstiges Engagement wird zum ernsthafte­n Wahlkampfp­roblem für seinen Vater

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