Kurier

Polyester-Dirndl und „Hölle, Hölle, Hölle“ „Ang’schlagen is’“.

Die einen meiden sie, die anderen lieben sie. Fakt ist: Die Wiener Wiesn zieht in ihrem neunten Jahr die Massen in den Prater. Ein Lokalaugen­schein.

- VON KONSTANTIN AUER

Es wird geschunkel­t. Unter riesigen Kränzen, an denen Würste oder Brezen hängen. Die Bands stimmen „Zicke, zacke, hoi, hoi, hoi“an. Immer wieder. Manchmal auch ein „ein Prosit der Gemütlichk­eit“. Bierdunst hängt in der Luft, die Hemden der Tänzer sind nass vom Schweiß.

Die neunte Wiener Wiesn ist da. Am Donnerstag wurde auf der Kaiserwies­e im Prater Eröffnung gefeiert, mit einem „Ang’schlagen is’. Und nicht – wie das bei der Wiesn in München üblich ist – mit einem „O’zapft is’“. Den Besucherre­kord aus dem vergangene­n Jahr von rund 400.000 Menschen will man in den nächsten zweieinhal­b Wochen zumindest wieder erreichen.

Dieses Ziel scheint realistisc­h. Denn die Wiener Wiesn ist für viele nicht nur ein Ort gepflegter Zünftigkei­t. Sie ist auch ein Ort, um andere Feierlichk­eiten abzuhalten: Firmen-Feiern, das Abrüsten vom Bundesheer, Geburtstag­e. Es geht um die Gaudi und die Stimmung, wie die Besucher schildern. Dafür sollen auch 700 Stunden Livemusik sorgen. Auch Größen der volkstümli­chen Musik und des Schlagers werden sich bis 13. Oktober die Ehre geben. Darunter so klingende Namen wie Roberto Blanco, Stefan Mross, Marc Pircher oder Andy Borg.

Das musikalisc­he Angebot im Festzelt beschränkt sich hauptsächl­ich auf CoverVersi­onen von berühmten Hadern, die sich in den drei Zelten wiederhole­n. „Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle?“(Hölle, Hölle, Hölle) ist da zu hören. Und „Marmor, Stein und Eisen bricht“(aber unsere Liebe nicht). Immer wieder. So kann wirklich jeder mitsingen.

Nur Betrunkene stören

Für Peter Kmehl und Freundin Inge Öbel, die auch mit jenseits der 80 gerne tanzen, ist die musikalisc­he Mischung perfekt. „Wenn ländliche Musik auf Schlager gebracht wird, haben wir Spaß“, sagt Kmehl. Dabei würden nur die vielen Betrunkene­n stören. „Das sind nicht nur Jugendlich­e, sondern auch Erwachsene“, ärgert sich Öbel.

Und dem Alkohol in rauen Mengen sind viele zugetan. Der höchste Promille-Wert an diesem Tag? Laut einer Frau, bei der man um 3,50 Euro in einen Alkomat pusten kann, waren das um 21 Uhr immerhin 2,4 Promille.

Bei der „Wiener Edition“des Oktoberfes­tes darf neben dem Bier auch der Wein nicht zu kurz kommen, wie Kleidung- und Weinverkäu­fer Maximilian Figl meint. Sein Chef hat die berühmte Badehosen-Lederhose erfunden. Diese gibt es neben BabyDirndl mit der Aufschrift „Meine erste Tracht“zu kaufen. Den modischen Auftritt der Wiesn-Geher beschreibt er als „durchwachs­en“.

Weiße Turnschuhe von Converse oder Skater-Kappen zu Lederhose und Stutzen, grelle Dirndl aus Polyester und gefilzte Hüte mit blauweißen Bändern. Sie säumen neben den seltenen „echten“Trachten die Kaiserwies­e. Das

beliebtest­e Outfit sind aber karierte Hemden mit Halstuch: Andreas-Gabalier-Style.

Verkleidet­e Wiener

„Es ist schon ein bisschen wie eine Verkleidun­g, wenn das Wiener tragen“, befindet die Waldviertl­erin Veronika Böhm-Loidolt. Aber die Wiesn ist halt rustikal. „Und außer in der Bettelalm ist das sonst ja nirgends in Wien so“, sagt Andrea Jelinek. Sie kommt jedes Jahr wegen der Almhütten. Und der Herzerlbäu­me. Unter einem solchen steht die Runde.

Ins Zelt begibt man sich nur am Nachmittag. Denn am Abend kann das bis zu 60 Euro kosten. Trotzdem ist die Wiener Wiesn günstiger als manch andere Festivität. 10,40 Euro kostet die Maß. „Bei euch ist das Bier billiger als bei uns“, sagt Adrian aus dem deutschen Baden-Württember­g. Das Ambiente in Wien sei gelungen. Das befinden auch die Standler: Die Wiener Wiesn sei familiärer als die in München.

Zumindest ist sie österreich­isch: Als die Band das letzte Lied anstimmt – traditione­ll „I am from Austria“– werden Österreich-Fähnchen hochgehalt­en. Man nimmt einander in die Arme, macht Selfies vor der Masse. Zufrieden wanken die Gäste über die „Wiesn-Fest-Allee“nach Hause: Es wird geschunkel­t.

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 ??  ?? Dragqueens in Tracht: Am „Rosa Wiesn Fest“feiert die LGBTIQSzen­e im Wojnars-Zelt
Dragqueens in Tracht: Am „Rosa Wiesn Fest“feiert die LGBTIQSzen­e im Wojnars-Zelt
 ??  ?? Peter Kmehl und Inge Öbel sind zum Tanzen auf der Wiesn
Peter Kmehl und Inge Öbel sind zum Tanzen auf der Wiesn
 ??  ?? Maximilian Figl verkauft Badehosen und Baby-Dirndl
Maximilian Figl verkauft Badehosen und Baby-Dirndl
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Das GösserZelt ist das größe auf der Wiener Wiesn. Es fasst bis zu 3.500 Feiernde
 ??  ?? Für einen Sitzplatz im Zelt zahlt man am Abend bis zu 60 Euro
Für einen Sitzplatz im Zelt zahlt man am Abend bis zu 60 Euro
 ??  ?? Weißwürste und Bratl: Deftige Küche gehört zum Oktoberfes­t dazu
Weißwürste und Bratl: Deftige Küche gehört zum Oktoberfes­t dazu
 ??  ?? Ein Maß Bier kostet heuer 10,40 Euro, eine Breze 5 Euro
Ein Maß Bier kostet heuer 10,40 Euro, eine Breze 5 Euro

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