Kurier

Mythos Liverpool

Champions League. Wie Salzburgs Mittwoch-Gegner zu einem der emotionals­ten und beliebtest­en Klubs wurde

- VON STEPHAN BLUMENSCHE­IN UND GÜNTHER PAVLOVICS

Wo anfangen, wo aufhören, wenn es um Mythos geht und um Liverpool? Die Geschichte des FC Liverpool, am Mittwoch Gastgeber von Salzburg in der Champions League, ist eine Mischung aus Triumphen und Tragödien.

Anfang der 1970er-Jahre schien es, dass der Verein mit den roten Leiberln in Liverpool in die emotionale Lücke gestoßen ist, die die Beatles mit ihrem Rücktritt in der 500.000-Einwohner-Stadt aufgerisse­n hatten. Angeblich wurde an der Anfield Road ohnehin der Fangesang erfunden – auch ohne der vier Pilzköpfe in der Metropole an der Mündung des Flusses Mersey.

Es soll sich im Jahr 1967 bei dichtem Nebel zugetragen haben. Die Fans hörten nur, dass ein Tor gefallen sein soll. „Who scored the goal“, schrieen sie auf der einen Seite des Stadions. „Hateley scored the goal“, hallte es von den Fans auf der anderen Seite zurück.

Über-Trainer

In den 1960er-Jahren hatte Trainer Bill Shankly den Verein zu einem englischen Spitzenklu­b geformt. Von ihm ist überliefer­t: „Einige Leute halten Fußball für einen Kampf um Leben und Tod. Ich mag diese Einstellun­g nicht. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist.“

Er hat die Basis gelegt, dass ein Verein zum Mythos wird. Und das nicht nur, weil er die roten Leibchen einführte, die aus dem Verein die berühmten Reds machten. In Gründungsz­eiten hatte der Klub (wie Lokalrival­e Everton) in Blau und Weiß gespielt, vor einem Jahrhunder­t wechselte man auf rote Leibchen und weiße Hosen.

Seit 1964 ist alles rot. Shankly, von 1959 bis 1974 Trainer in Liverpool, setzte auf Kollektiv, Disziplin, Kampfgeist und Identifika­tion mit dem Verein. So heißt es auch, dass er in den Tagen vor seinem Tod 1981 immer wieder das gleiche Lied gehört hat. Er soll in seinen letzten Stunden Kraft geschöpft haben aus dem Lied „You’ll never walk alone“. Du wirst niemals alleine gehen.

Da ist es ohnehin fast nur logisch, dass nach seinem Tod seine Asche im Stadion an der Anfield Road verstreut worden ist. Direkt vor „The Kop“– jener legendären Tribüne, die einst die größte der Welt war und vor der eine Statue des Trainers steht. Weltweit bekannt wurde sie 1964 durch eine Sendung der BBC, bei der Aufnahmen von Liverpoole­r Fans gezeigt wurden, die die Meistersch­aft lautstark mit Beatles-Songs und „You’ll never walk alone“feierten.

Angstmache­r

Zu einem Mythos gehört auch, dass er dem Gegner Respekt einflößt. „This is Anfield“, steht auf einem Schild in den Katakomben. Dort, wo die Teams darauf warten, aufs Spielfeld zu gehen.

Dieser Gang, bei dem die Liverpool-Spieler das Schild über der Stiege wie einen Glücksbrin­ger berühren, hat schon etliche Gegner beeindruck­t oder verunsiche­rt.

Zu einem Mythos gehören auch charismati­sche Spieler. Anfang der 70er-Jahre war dies der klein gewachsene Stürmer Kevin Keegan, der wie ein Popstar ausschaute. Auf ihn folgte Kenny Dalglish, der ein Jahrzehnt später mit Ian Rush eines der besten Stürmerduo­s im europäisch­en Fußball bildete. 1989 war dann Steven Gerrard als Neunjährig­er zum Verein gekommen. Der Mittelfeld­spieler trug bis 2015 nie ein anderes Trikot als jenes der Reds.

Aber auch zwei große Tragödien gehören zur Geschichte des FC Liverpool: Am 29. Mai 1985 starben im Heysel-Stadion in Brüssel beim Meistercup-Finale zwischen Juventus Turin und den Engländern 39 Menschen.

Weil die Liverpool-Fans die Panik ausgelöst hatten, wurden die damals dominanten englischen Vereine von internatio­nalen Bewerben ausgeschlo­ssen. Der Bann wurde nach fünf Jahren aufgehoben, für Liverpool erst nach sechs. Nicht einmal vier Jahre nach Brüssel war Sheffield Schauplatz der nächsten Tragödie. 96 Liverpool-Fans starben 1989 bei einer Panik im überfüllte­n Hillsborou­ghStadion vor dem FA-Cup-Semifinale zwischen Liverpool und Nottingham Forest.

Das größte Sportunglü­ck der britischen Geschichte, ausgelöst durch falsche Entscheidu­ngen der Polizei, hatte Konsequenz­en für den englischen Fußball. Stehplätze wurden abgeschaff­t, auch auf The Kop. Dort wurden aus 30.000 Stehplätze­n 12.390 Sitzplätze.

Geblieben ist der Mythos.

 ??  ?? Magnet: Liverpool ist einer der beliebtest­en Fußballver­eine weltweit mit mehr als 200 offizielle­n Fanklubs in 50 Ländern
Magnet: Liverpool ist einer der beliebtest­en Fußballver­eine weltweit mit mehr als 200 offizielle­n Fanklubs in 50 Ländern

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