Kurier

„Die Frische des ersten Blicks“

Ausstellun­g. Die Albertina zeigt fast 200 Werke des Nürnberger Renaissanc­e-Genies Albrecht Dürer. Mit dabei sind nicht nur die „Betenden Hände“und der weltberühm­te „Feldhase“.

- VON WERNER ROSENBERGE­R

Der „Flügel einer Blauracke“dient als Plakat- und Katalogmot­iv. Und auch sonst ist alles da in der Albertina-Ausstellun­g – fast alles, was sich der Dürer-Liebhaber wünscht: Sie zeigt einen Virtuosen unter den Alten Meistern nicht nur des Zeichensti­fts, sondern auch des Pinsels:

Die „Anbetung der Könige“aus den Uffizien, ein Bravourstü­ck mit komplizier­ter Perspektiv­e, reichem Kolorit und Details aus Naturstudi­en; außerdem den bezaubernd­en und millionenf­ach kopierten „Feldhasen“, eines der populärste­n Werke der Kunstgesch­ichte; oder das weltberühm­te Aquarell „Das große Rasenstück“, bei dem die Gräser, Kräuter und Gänseblümc­hen in phänomenal­er Detailgena­uigkeit deshalb wie ein mächtiger Dschungel wirken, weil das Gras aus der Blickhöhe eines Käfers und nicht aus der eines Menschen gesehen ist.

Kompromiss­los und vorurteils­frei

„Für mich ist die Aktualität von Albrecht Dürer darin gegeben, dass er mit einer einzigarti­gen Vorurteils­losigkeit, mit einer Frische des ersten Blickes die Welt betrachtet“, sagt Klaus Albrecht Schröder, Generaldir­ektor der Albertina, und weist auf die ungeheure Bandbreite von Dürers Werk hin – von der verblüffen­d realistisc­hen Naturstudi­e über Stadtansic­hten von betörender Schönheit bis hin zu den großen Porträtgem­älden.

„Ob er das selbst ist, wie er schon dem Verfall nahe ist, sein eigenes Geschlecht, seinen eigenen Körper beobachtet – was andere Künstler erst 400 Jahre später tun, aber dann nicht so radikal. Oder ob er ein Tier, ein Haus, die atmosphäri­sche Stimmung einer Landschaft einfängt: Immer ist es dieser ,erste Blick’, den er auf die Phänomene wirft, etwa, wenn er bei der Studie eines Afrikaners vorurteils­frei einen Schwarzen porträtier­t, ohne Rassismus, ohne zu denunziere­n. Und diese kompromiss­lose Vorurteils­losigkeit ist umso erstaunlic­her, als er zugleich der virtuosest­e Künstler ist, den wir uns vorstellen können – auch von Kopisten nie erreicht. Er erhält sich immer die Frische des ersten Blickes.“

Schau der Superlativ­e

Zu bestaunen sind bedeutende Leihgaben aus aller Welt: „Die Anbetung der Könige“aus den Uffizien, das schonungsl­ose Selbstbild­nis des nackten Dürer aus Weimar, „Die Marter der Zehntausen­d“aus dem Kunsthisto­rischen Museum Wien, „Jesus unter den Schriftgel­ehrten“aus dem Museum Thyssen-Bornemisza und Dürers wohl schönstes Männerport­rät aus dem Prado.

Aber den breitesten Raum nehmen Arbeiten auf Papier ein, auf bauend auf den selten gezeigten Beständen der Albertina, die mit rund 140 Arbeiten die weltweit größte und bedeutends­te Sammlung an Dürer-Zeichnunge­n besitzt.

Ob „Feldhase“oder „Großes Rasenstück“, ob die Helldunkel­studien auf farbigen oder gefärbten Papieren: Allesamt führen diese Werke an die Grenze des mit Feder und Pinsel Machbaren, was schon die Zeitgenoss­en Dürers bis zu Giovanni Bellini verblüffte.

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 ??  ?? Der Hase aller Hasen: Dürers „Feldhase“– meisterhaf­te Naturstudi­e aus dem Jahr 1502
Der Hase aller Hasen: Dürers „Feldhase“– meisterhaf­te Naturstudi­e aus dem Jahr 1502
 ??  ?? Wunder der Kunst: „Das große Rasenstück“, 1503
Wunder der Kunst: „Das große Rasenstück“, 1503
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„Bildnis eines 93-jährigen Mannes“, 1521

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