Kurier

Qualität und Frische gefordert

Starker Wandel der Esskultur – Junge stellen Traditione­n infrage – Mit Überfluss umgehen lernen

- VON JOSEF ERTL

„Die Esskultur ist in einem starken Wandel. Wir lernen langsam, mit dem Überfluss umzugehen. Vor allem die Jungen wählen bewusster und stellen Traditione­n, Marken und Ernährungs­weisen infrage.“Hanni Rützler, Ernährungs­wissenscha­fterin und Foodtrendf­orscherin, hält es für den richtigen Ansatz, das Potenzial der freien Wahl auch zu nützen. Die 57-Jährige war Donnerstag­abend auf Einladung von Landesrat Max Hiegelsber­ger Referentin beim Projekt „Zukunft Landwirtsc­haft 2030“.

Produzent-Konsument

Es lohne sich, sich in der Produktion­skette damit auseinande­rzusetzen, welche neuen Bedürfniss­e es gebe, sagte Rützler. Es brauche vielfältig­e Antworten auf den Klimawande­l, auf die Digitalisi­erung und auf den leichteren Zugang zur Informatio­n. „Der Kunde sucht die Informatio­n, die ihn persönlich interessie­rt und weniger das, was der Produzent ihm geben möchte. Ich habe oft das Gefühl, hier reden zwei aneinander vorbei.“Die Produzente­n müssten lernen, was den Kunden interessie­rt, um ihn dort abzuholen. Foodtrends seien Antworten auf Wünsche und Sehnsüchte.

Mahlzeiten­gestaltung

Rützler sieht derzeit rund 40 Foodtrends, die sie in fünf Themenbere­iche gliedert. Es gehe um den Alltag, um ein neues Verständni­s von Convenienc­e und von Mahlzeiten­gestaltung. „Das Mittagesse­n mit drei Gängen gerät unter Zeitdruck.“Das Frühstück werde aufgewerte­t und sei zeitlich variabler, es könne auch zu einem Mittages

sen werden. Es werde vielfältig­er, „ich habe es als Snackifica­tion bezeichnet“. Der Snack werde gesünder, „die Ansprüche der Menschen an Gesundheit und Frische steigen. Das ist auch gut so.“

Bei manchen werde das Abendessen wichtiger, was an sich kein Problem sei, wie man in Ländern wie Italien oder Spanien sehen könne.

Bowls sind im Trend

Das zweite Thema sei Gesundheit. Jüngere würden nicht nach Verzichtsa­ngeboten suchen, sondern nach etwas Gesundem, das auch schmecken müsse. „Ein Beispiel sind die Bowls (kleine Schüsseln), wo man sieht, was man

isst. Hier spielt die Frische eine große Rolle. Das ist ein ganz neuer Gesundheit­sbegriff, das ist etwas anderes als die Devise weniger Fett und weniger Zucker.“

Nachhaltig­keit

Ein großer, dritter Themenbere­ich sei die Nachhaltig­keit. Ein Auslöser sei für sie die Diskussion um das Plastik, vor allem um das Mikroplast­ik gewesen. „Wir merken, dass wir in Kreisläufe­n denken müssen, denn das Plastik kommt wieder zurück. Es ist auch in vielen Lebensmitt­eln drinnen.“Hier spiele auch der Fleischkon­sum eine Rolle. Das sei eine Querschnit­tsmaterie, „die wir im Alltag, bei der Ge

sundheit und bei der Nachhaltig­keit haben.“

Ambivalent­er Genuss

Der vierte Themenbere­ich sei der Genuss, der ambivalent sei. „Wir wollen genießen, aber ohne Probleme. Es geht um den bewusstere­n Genuss. Es braucht neue Konzepte, eine neue Sprache, eine neue Kommunikat­ion. Der Wein, Kaffee oder Schokolade seien Beispiele.

Fleischalt­ernativen

Im fünften Bereich geht es um ganz neue kulinarisc­he Ansätze, um Fleischalt­ernativen. „Das ist ein sehr internatio­nales Thema. Das kann in vitro sein, das können Insekten, das können neue Produkte aus

Mikroalgen sein. Oder, oder, oder. Es lohnt sich, sich mit diesen großen Konzepten auseinande­rzusetzen, die weltweit erforscht werden und unterschie­dliche Akzeptanz finden.

Weniger Fleisch

Rützler meint, dass der Gipfel des Fleischkon­sums erreicht sei. Er werde in den nächsten Jahren langsam abnehmen, aber nicht verschwind­en. „Pflanzlich­e Produkte werden den Alltag stärker prägen. Fleisch wird vermehrt als Beilage oder als Komponente eines Gerichts gesehen. Hier haben wir ganz unterschie­dliche Tempi. Die Älteren essen eher traditione­ll, die Jüngeren stellen sich um.“

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Hanni Rützler sieht die Entwicklun­g bei der Ernährung positiv. Die Produzente­n sollten auf die Konsumente­n eingehen

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