Kurier

„Sport im Herzen, nicht nur auf den Lippen“

Neben einem Stadion braucht der ÖFB ein neues Trainingsc­enter und ein Headquarte­r. Windtners Wünsche an die neue Bundesregi­erung.

- VON GERHARD MARSCHALL

6:2 plus 4:0 plus 1:0 ergibt 11:2 – eindrucksv­oll, mit drei Siegen, sind die österreich­ischen Klubs in das internatio­nale Geschäft gestartet. Die Bullen aus Salzburg schossen in der Champions League den belgischen Meister KRC Genk aus dem Stadion; der LASK besiegte in der Europa League Rosenborg Trondheim aus Norwegen knapp, aber verdient; der Wolfsberge­r AC lieferte mit dem furiosen Auftritt bei Borussia Mönchengla­dbach überhaupt die Sensation schlechthi­n.

Nachhaltig­e Erfolge

„Ich glaube, es waren alle überrascht von der Art und Weise, wie diese Erfolge eingefahre­n wurden“, sagt ÖFB-Präsident Leo Windtner im KURIER-Gespräch: „Mit Respekt vor großen Namen, aber nicht kleinmütig, mit voller Entschloss­enheitunda­uchmit perfekter taktischer Einstellun­g.“Windtner ortet geradezu einen Paradigmen­wechsel: „Alle drei Klubs sind aufgetrete­n, wie sich der österreich­ische Fußball schon lange nicht mehr auf der europäisch­en Bühne präsentier­t hat.“Und vor allem: „Diese Erfolge sind nicht Ergebnis von Zufällen, sondern einer strukturie­rten, nachhaltig­en Entwicklun­gsarbeit, gerade bei diesen dreiKlubs.“Klarerweis­esei nicht davon auszugehen, „dass das jetzt ein Selbstläuf­er wird“, warnt Windtner vor überzogene­r Euphorie: „Es warten bereits die nächsten Kaliber.“Freilich sei mit der ersten Runde ein Fundament gelegt, auf dem aufgebaut werden könne. Und selbstvers­tändlich profitiere von Kluberfolg­en auch die Nationalma­nnschaft. Wiewohl das Team nach dem 2:4 gegen Israel zuletzt „eine komplett neue Einstellun­g gezeigt und damit die Fans zurückgeho­lt hat“.

Oktober entscheide­nd

Die nächsten zwei Spiele im Oktober würden entscheide­nd sein, sagt Windtner: „Mit der gleichenFo­kussierung­können wir hier schon die Türe zur Euro 2020 weit aufmachen.“Grundsätzl­ich sei Österreich­s Fußball auf einem guten Weg, ist Windtner überzeugt. Es komme auch nicht von ungefähr, dass Spieler in der deutschen Bundesliga regelmäßig top sind. Nicht zu vergessen die Trainer: Oliver Glasner (Wolfsburg), Adi Hütter (Frankfurt) oder Ralph Hasenhüttl (Southampto­n) seien Beweis dafür, dass in der Traineraus­bildung gute Arbeit geleistet wird, die auch internatio­nal Anerkennun­g findet. „Gerade als kleinere Nation müssen wir aber permanent nachjustie­ren.“

Frauenfußb­all

Konkret nennt er den Frauenfußb­all, dem es noch an Breite mangle. Und dann ist da vor allem das leidige Thema Nationalst­adion. Der ÖFB-Präsident schwärmt von der Arena in Warschau, wo Österreich­s Team zuletzt gegen Polen spielte: „Die haben die Chance der Euro 2012 wesentlich effiziente­r genutzt als wir in Österreich.“Hier wurde anlässlich der Euro 2008 in Klagenfurt ein neues Stadion gebaut, das meistens leer steht. Weil dort – besondere Ironie – zurzeit im Rahmen eines Kunstproje­kts Bäume gepflanzt sind, muss der Wolfsberge­r AC mit den internatio­nalen Spielen nach Graz ausweichen. Windtner nennt das „ein wirklich schweres Foul am Fußball“. „Wir sind in intensiven Gesprächen mit Niederöste­rreich und mit dem Burgenland, um quasi im Umfeld von Wien einen geeigneten Standort zu finden.“Ob ein Nationalst­adion nicht in der Hauptstadt stehen sollte? Windtner: „Das kann man durchaus so sehen. Wien war auch unsere Priorität. Nachdem aber die Stadt klar artikulier­t hat, für einen Neubau nicht bereitzust­ehen, muss man schauen, wo man bauen kann.“Neben einem neuen Stadion brauche es auch ein Trainingsc­enter und ein ÖFB-Headquarte­r, sagt Windtner. Laut Analyse des Europäisch­en Fußballver­bandes (UEFA) liege Österreich punkto Infrastruk­tur unter den letzten 15 von 55 Nationen. „Es wird für uns sehr wichtig sein, wer Sportminis­ter wird“, sagt Windtner in Richtung nächste Bundesregi­erung: „Und inwieweit er den Sport nicht nur auf den Lippen, sondern auch im Herzen trägt. Es geht nicht nur um uns, sondern um den Sport schlechthi­n. Auch in anderen Bereichen – Schwimmen, Leichtathl­etik, Volleyball etwa – haben wir gewaltige Defizite.“

Die Rückkehr des LASK auf die Linzer Gugl hält Windtner für die richtige Entscheidu­ng, „vor allem auch unter dem Aspekt, dass das der historisch­e und emotionale Kristallis­ationspunk­t ist“.

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