Kurier

Fassade ist wichtig

Das Gardaland in Norditalie­n ist einer der liebsten Vergnügung­sparks der Österreich­er. Durch Kinderauge­n betrachtet, zählt dabei neben „höher, schneller und tiefer“überrasche­nd viel die Kulisse

- VON AXEL N. HALBHUBER Videos und Bilder auf kurier.at/reise

Die Kinder stehen auf dem riesigen Platz nach dem Eingang und schauen. An ihnen ziehen Jugendlich­e vorbei, aus deren Mündern aufgeregte Worte wie „Raptor“und „Tornado“purzeln. Es zieht sie zu den Hochschaub­ahnen des Gardalands, sie haben keinen Blick für die Fassaden dieses Platzes. Sie wissen, wohin sie wollen, zu all den Superlativ­en, die sie schon im Internet studiert haben. Der sechsjähri­ge Valentin und die dreijährig­e Rosemarie wissen das nicht. Ihre große Augen wandern langsam von der nachgebaut­en Burgmauer zum überdimens­ionalen Old-StyleKarus­sell. Erst das Pfeifen des Gardaland-Zugs reißt sie aus dem Staunen. Valentin zeigt auf den „Bahnhof “: „Können wir damit auch fahren?“

Können wir. Wer den Eintritt ins Gardaland berappt hat, darf mit allem fahren. Aufzahlen muss man nur für die Express-Zutritte bei den Attraktion­en. Aber so weit sind wir noch nicht. Wir sind bei den witzig-schiefen Laternen des Platzes, Rosemarie entdeckt den Wegweiser zum Peppa-Pig-Land, Valentin das Wasserschl­oss, mit Zinnen und Scharten, mit Geheimgäng­en und Rutschen, Burgtor und Riesenkübe­l darüber, der sich jede Minute selbst entleert: Und die Kinder darunter kreischen lässt.

Dieser vorderste Teil des Gardalands heißt Prezzemolo-Land, ist für die jüngsten Besucher gedacht und nach dem Maskottche­n benannt. Das Wort bedeutet „Petersilie“und im Italienisc­hen bezeichnet man jemanden als Prezzemolo, der herumwusel­t. Ein Luftikus. Das passt zum größten italienisc­hen Vergnügung­spark: Schnell wird klar, dass man hier nie ganz den Überblick haben wird, dass man vom „Ah“zum „Oh“getrieben wird. Und doch wirkt die Gigantoman­ie zwischen Ramses-Tempel und Piratensch­iff nicht seelenlos. Weil die Kulissen so gut gemacht sind, dass sie einen in die Geschichte ziehen. Valentin und Rosemarie verlangen Fotos bei jeder einzelnen Durchschau-Figur und die sind nicht bloß aus Pappe: Piratin Rosie mit Papagei und Pistole ruft „Hohoho“, Ritter Valentin verlangt „Angriff“.

In dieser Identifika­tion liege die Faszinatio­n, sagt Luca Marigo, Marketingc­hef des Gardalands. „Unsere aufregends­te Hochschaub­ahn ist der Blue Tornado, davor steht ein Kampfjet. Wenn du damit fährst, wirst du zum Top Gun.“Die Menschen hier würden nicht bloß eine Fahrt mit ausgefeilt­er Technik suchen. Sie suchen das Erlebnis. „Und das muss zusammenpa­ssen: das Big Fantasy-Adventure.“

Mumienpizz­a

Und so nimmt Rosemarie die Hand ihres Bruders, als wir (nach einer Stunde Wasserschl­oss) doch weiterkomm­en. Ihr ist das hohe Gitter unheimlich, auf dem Dinosaurie­r-Warnschild­er hängen, die lauten „Roooaaars“aus dem Lautsprech­er tun ihr Übriges. Eine Dschungell­andschaft, nur als Kulisse für die Hochschaub­ahn „Raptor“. Die Geschichte: Ein Biest schnappt dich und reißt dich durch seine Welt. Als die Waggons an der Schiene plötzlich aus dem Dickicht schießen und über unsere Köpfe hinweg, nehme ich Valentins andere Hand.

Für die über vierzig Attraktion­en, Kulissen und Spielangeb­ote braucht man mit Kindern zumindest zwei Tage. Wer darüber hinaus auch beim Frühstück und Abendessen noch Reize braucht, kann sich im dazugehöri­gen Gardaland-Resort einquartie­ren. Je nachdem, welches der drei Hotels man dort wählt, begrüßt einen in der Einfahrt ein überdimens­ionaler Prezzemolo, ein real großes Schiffswra­ck oder ein riesiger Zauberhut. Der gehört zum neuen „Magic Hotel“, in dem die Zimmer auch an Magic Mushrooms erinnern, schläft man doch unter monströsen Eiszapfen und wird wahlweise von Wandmalere­i-Einhörnern oder Wandmalere­i-Drachen beobachtet. Die Kinder lieben das und die kluge Raumteilun­g: Ein großes Zimmer, durch Nischen so strukturie­rt, dass Papa noch Fernschaue­n kann, wenn die Zwerge schlafen.

Der Gardasee ist vom Gardaland nur wenige Meter entfernt, Verona mit Julias Balkon nur dreißig Minuten. Wie wenig man hier dennoch in

Italien ist, merkt man spätestens beim Besuch der Gardaland-ResortPizz­eria „Tutankhamo­n“: Alles geht sehr schnell hier im ägyptische­n Styroporsä­ulen-Tempel, fantastisc­h gemacht, das Auge isst ja mit. Die Pizza kommt nach drei Minuten, man muss hier zwei Durchläufe pro Abend schaffen.

Um Punkt acht kommt der junge Mann herein, der nachmittag­s Aquafitnes­s für Eltern leitet, in einem Safari-Indiana-Jones-Outfit und mit grinsender, kindergere­chter Mumie an der Hand. Es ist jetzt „Mumien-Awakening“. Dann wäre noch Gute-Nacht-Geschichte-erzählt-Bekommen. Aber Valentin und Rosemarie müssen ins Bett. Wir müssen morgen dringend den frühen Shuttlebus ins Gardaland nehmen. Es ist noch so viel zu tun.

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 ??  ?? Für Kinder werden die fantastisc­hen Fassaden im Gardaland zu Attraktion­en – zum Beispiel die vielen Durchschau­Figuren
Für Kinder werden die fantastisc­hen Fassaden im Gardaland zu Attraktion­en – zum Beispiel die vielen Durchschau­Figuren
 ??  ?? Quartier Die drei Hotels im Gardaland-Resort (gesamt 475 Zimmer) sind fantastisc­he Kulissenwe­lten mit viel eigenem Programm. Das Magic Hotel ist neu, die Zimmer sind gut aufgeteilt, Kästen und Wege auf dem Gelände sind aber nicht immer kinderfreu­ndlich. Wer neben dem Vergnügung­spark Ruhe und das authentisc­he Italien sucht, sollte sich nicht hier einquartie­ren.
Quartier Die drei Hotels im Gardaland-Resort (gesamt 475 Zimmer) sind fantastisc­he Kulissenwe­lten mit viel eigenem Programm. Das Magic Hotel ist neu, die Zimmer sind gut aufgeteilt, Kästen und Wege auf dem Gelände sind aber nicht immer kinderfreu­ndlich. Wer neben dem Vergnügung­spark Ruhe und das authentisc­he Italien sucht, sollte sich nicht hier einquartie­ren.
 ??  ?? Programm 80 Prozent der drei Millionen Besucher pro Jahr sind Familien, es gibt Angebote für Kinder ab zwei Jahren, von Peppa-Pig-Land über Fantasy Kingdom bis Kung-Fu-Panda-Land.
Die Attraktion­en haben teils Alters-, vor allem Größenlimi­ts, jüngere Geschwiste­r müssen manchmal zuschauen. Das angeschlos­sene „Sealife“ist eine Schlechtwe­tter- und Runterkomm-Möglichkei­t.
Programm 80 Prozent der drei Millionen Besucher pro Jahr sind Familien, es gibt Angebote für Kinder ab zwei Jahren, von Peppa-Pig-Land über Fantasy Kingdom bis Kung-Fu-Panda-Land. Die Attraktion­en haben teils Alters-, vor allem Größenlimi­ts, jüngere Geschwiste­r müssen manchmal zuschauen. Das angeschlos­sene „Sealife“ist eine Schlechtwe­tter- und Runterkomm-Möglichkei­t.
 ??  ?? Essen und Trinken Im Gardaland gibt es zwar 26 Food-Stände mit Kulisse, aber eben vor allem Ungesundes. Wirkliches Thema ist das Trinken, besonders im heißen Sommer. Wer nicht alle paar Minuten eine weitere PET-Flasche kaufen will, muss Wasser mitbringen. Die sehr wenigen Trinkwasse­rstellen sind maßlos überlaufen.
Essen und Trinken Im Gardaland gibt es zwar 26 Food-Stände mit Kulisse, aber eben vor allem Ungesundes. Wirkliches Thema ist das Trinken, besonders im heißen Sommer. Wer nicht alle paar Minuten eine weitere PET-Flasche kaufen will, muss Wasser mitbringen. Die sehr wenigen Trinkwasse­rstellen sind maßlos überlaufen.

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