Kurier

Der türkise Spielmache­r

Am meisten spricht für Türkis-Grün, sofern diese beiden Parteien es wollen. Türkis-Rot wäre stabil, aber wenig attraktiv. Die FPÖ nimmt sich selbst aus dem Spiel

- DANIELA KITTNER

Das Wahlergebn­is hat für Sebastian Kurz die Möglichkei­ten zur Regierungs­bildung verbessert. Er hat nun drei Möglichkei­ten für eine Zweierkoal­ition: Türkis-Rot, Türkis-Blau und Türkis-Grün.

Der Spielmache­r für die Koalitions­bildung ist eindeutig der ÖVP-Chef, mit 37 Prozent der Wählerstim­men und 15 Prozentpun­kten Abstand zur zweitstärk­sten Partei kommt ihm die Verantwort­ung zu.

Sebastian Kurz hat die Absicht, die internen Klärungspr­ozesse in den anderen Parteien abzuwarten und erst übernächst­e Woche mit den Sondierung­sgespräche­n zu beginnen. Dann möchte er der Größe nach vorgehen und mit der SPÖ beginnen.

ÖVP intern

Das gute Abschneide­n hat Kurz innerparte­ilich stärker gemacht denn je. Das Zerbrechen der türkis-blauen Koalition und die Notwendigk­eit vorgezogen­er Neuwahlen hatte schon den einen oder anderen internen Zweifel aufkommen lassen, aber dieses Resultat ist eindeutig.

Es bedeutet: Kurz hat bei der Wahl seines Koalitions­partners sehr großen Spielraum. Dennoch wird sich der ÖVP-Chef wohl nicht über

die Phalanx seiner Landeshaup­tleute hinwegsetz­en und auf Biegen und Brechen Türkis-Blau fortsetzen. Die Gefahr wäre zu groß, dass das Experiment erneut platzt. So warnt auch Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter verklausul­iert vor der FPÖ, indem er als wichtiges Koalitions­kriterium „Stabilität“nennt. Platter: „Es ist notwendig, dass wir stabile Verhältnis­se in Österreich haben.“In Tirol und in Salzburg schnitt die ÖVP besonders stark ab.

Türkis-Rot

Für Türkis-Rot spricht, dass diese Variante am stabilsten wäre. Sie hält am ehesten fünf Jahre. Dagegen spricht:

Sebastian Kurz ist kein Großkoalit­ionär, er kann mit der SPÖ nicht viel anfangen. Kurz fürchtet die aus früheren rot-schwarzen Koalitione­n bekannten Blockaden. Die SPÖ wird bei dem schlechten Zustand, in dem sie sich befindet, wohl kaum über ihren Schatten springen und großzügige Kompromiss­e schließen.

Türkis-Blau

Für Türkis-Blau spricht die große inhaltlich­e Übereinsti­mmung. Auch könnten die Blauen in ihrem geschwächt­en Zustand theoretisc­h ein billiger Partner für die ÖVP sein. Das war zumindest 2003 so, sie haben damals Wolfgang Schüssel zu einer de facto Alleinregi­erung verholfen.

Gegen Türkis-Blau spricht: Laut den Reaktionen aus der FPÖ nimmt sich die Partei selbst aus dem Spiel. Generalsek­retär Harald Vilimsky gab am Sonntag als Erster die Marschrout­e vor: „Aus meiner Sicht ist das Wahlergebn­is kein klarer Auftrag, die Koalition fortzusetz­en.“Dafür habe der Wähler die FPÖ zu wenig gestärkt.

Die Doppelspit­ze Norbert Hofer und Herbert Kickl bekräftigt­en die Absicht, in Opposition zu gehen.

Aus Sicht der ÖVP spricht gegen Türkis-Blau die Instabilit­ät der FPÖ, die Dominanz von Herbert Kickl, die vielen Skandale, die auch auf die ÖVP abfärben würden, nicht zuletzt der Ruf in der EU und darüber hinaus.

Türkis-Grün

Wenn die Mehrheit groß genug ist – etwa ab 96 Mandaten – ist Türkis-Grün sicher die attraktivs­te Variante. Es wäre die Koalition der Wahlgewinn­er.

Für Kurz würde ein neues Kapitel aufgeschla­gen, er wäre in Europa der Erste, der eine „Klimaschut­z-Koalition“bildet. Kurz könnte sich als Vorreiter in medialem Licht sonnen.

Die Grünen wiederum könnten ihren Rekordgewi­nn mit der erstmalige­n Regierungs­beteiligun­g auf Bundeseben­e krönen. Sie würden dann den Bundespräs­identen und den Vizekanzle­r stellen sowie in vier Landesregi­erungen vertreten sein. Allerdings müssten sie sich dann auch beweisen und ihre Wähler nicht enttäusche­n.

Und das spricht gegen Türkis-Grün: Die Grünen werden sehr vorsichtig sein, dass sie das Vertrauen ihrer Wähler nicht gleich wieder verlieren. Die Erfahrung, wie leicht man aus dem Nationalra­t fliegen kann, ist noch schmerzhaf­t frisch. Die Erwartunge­n vor allem der idealistis­chen jungen GrünWähler sind hoch, die Enttäuschu­ngsgefahr groß.

Die ÖVP wird den Grünen entgegenko­mmen müssen – beim Klimaschut­z, bei Anti-Korruption, Demokratie und Transparen­z sowie bei Kinderarmu­t. Das hat Wahlsieger Werner Kogler als Grundricht­ung genannt.

Anderersei­ts sitzt die ÖVP auf einem Berg rechter Stimmen aus dem freiheitli­chen Lager, die sich, Zitat Kurz, eine „ordentlich­e Mitte-Rechts-Politik“erwarten. Herbert Kickl liegt schon auf der Lauer, sich die enttäuscht­en Wähler zurückzuho­len. Bei Sicherheit und Migration werden die Grünen der ÖVP entgegenko­mmen müssen.

Politisch ist das machbar, aber der Wille dazu muss auf beiden Seiten groß sein.

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Sebastian Kurz auf dem Weg zur Stimmabgab­e: Der künftige Kanzler kann den Koalitions­partner aus drei Optionen wählen

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