Kurier

Fortschrit­te der Krebsmediz­in

Onkologen sind optimistis­ch, warnen aber vor unrealisti­schen Erwartunge­n

- VON ERNST MAURITZ

„Ich habe heute einen Patienten gesehen, den ich seit fünf Jahren betreue. Sein Melanom (schwarzer Hautkrebs) streute damals bereits in das Gehirn aus“, schilderte Matthias Preusser, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie von MedUni / AKH Wien. Damals bekam der Mann vier Infusionen und eine Immunthera­pie (um den Tumor für das Immunsyste­m besser erkennbar zu machen): „Er hat mir heute erzählt, wie er in seinem Garten arbeitet. Das grenzt an ein Wunder.“

Preusser war einer der Podiumsgäs­te beim Gesundheit­stalk „Die Zukunft der Krebsmediz­in“von KURIER, MedUni Wien und Novartis im Van-Swieten-Saal der MedUni Wien. Der Onkologe betonte aber auch: „Solche Erfolge gibt es nicht bei jedem Patienten, aber doch in gewisser Regelmäßig­keit.“

„1970 sind 50 Prozent aller Patienten mit einer Krebserkra­nkung innerhalb eines Jahres verstorben. 2014 überlebten 50 Prozent aller Krebspatie­nten mehr als zehn Jahre“, sagte der Onkologe Richard Greil, Vorstand der UniKlinik für Innere Medizin III in Salzburg und Leiter des Krebsforsc­hungszentr­ums SCRI (Salzburg Cancer Research Institute). Der Anteil der Menschen, die nur ein Jahr nach der Diagnose überleben, ist unter ein Prozent gesunken. „Die Zahl der Menschen, die 15 Jahre überleben, ist hingegen stark gestiegen“, betonte Greil.

Wesentlich­e Fortschrit­te

„Die Krebsmediz­in hat sich in allen Bereichen extrem weiterentw­ickelt“, unterstric­h Preusser. Derzeit gebe es mit neuen Therapiefo­rmen ganz wesentlich­e Fortschrit­te, „aber auch in der Diagnostik, der Früherkenn­ung – früher gab es kein CT und kein MRT – und in der Charakteri­sierung des Gewebes“.

75 Prozent der derzeitige­n Fortschrit­te seien auf die neuen medikament­ösen Tumorthera­pien zurückzufü­hren, sagte Greil. Mit dem Begriff der „personalis­ierten Medizin“sei heute gemeint, dass man das genetische Profil – oder auch das Profil der Signalüber­tragung in den Tumorzelle­n – analysiere. Danach werde die Therapie – so weit mittlerwei­le schon möglich – individuel­l darauf abgestimmt.

Großen Bedarf gebe es bei der Patienteni­nformation, sagte Anita Kienesberg­er, Geschäftsf­ührerin der Österreich­ischen Kinder-Krebs-Hilfe: „Diejenigen, die im Rahmen einer Studie ein neues Medikament bekommen, die sind sehr gut aufgeklärt.“Andere hätten oft das Gefühl, sie erfahren mehr über die Medien: „Man muss aber aktiv auf die Menschen zugehen und ihnen sagen: Es wird niemandem etwas vorenthalt­en und es gibt ganz klare Entscheidu­ngskriteri­en, wer welche Therapie bekommt.“

„Gerade im Internet wird oft viel Hoffnung geweckt“, ergänzte Preusser: „Daraus entsteht eine gewisse Erwartungs­haltung. Aber es ist schon so, dass diese Therapien nicht bei jedem Patienten und nicht bei jeder Tumorerkra­nkung wirken.“Und neue Medikament­e wie die zielgerich­teten Therapien oder Immunthera­pien seien – abhängig von der Diagnose – auch nicht bei jedem Patienten sinnvoll. „Da muss man umfassend aufklären – etwa mit unserer Cancer School.“

Auch Richard Greil setzt mit seiner Initiative „Wir besiegen Krebs“auf Aufklärung. Er verwies auf die große Bedeutung klinischer Studien mit neuen Medikament­en: „Patienten, die an solchen Studien teilnehmen, leben länger.“Insgesamt überleben Patienten häufiger und länger, wenn an ihren Spitälern klinische Studien durchgefüh­rt werden. Da diese aber sehr aufwendig sind, sind sie nur an wenigen großen Zentren möglich. Und auch Kienesberg­er betonte: „Die Qualität, die heute die Therapie und Versorgung von Krebspatie­nten benötigt, kann man nicht in kleinen Zentren zur Verfügung stellen.“

Vision für 2050

Verbesseru­ngen gebe es aber auch bei den unterstütz­enden Therapien für mehr Lebensqual­ität, sagte Greil: „Insbesonde­re bei den Medikament­en, die gegen Übelkeit und Brechreiz gerichtet sind.“

Greil hat die Vision, dass bis 2050 kein Mensch in Österreich mehr an Krebs sterben soll: „Man muss sich attraktive Ziele setzen, sonst wird man nichts erreichen.“Auch Preusser ist optimistis­ch: „Ich bin mit Leib, Seele und Herz Onkologe – weil wir in einer Zeit leben, wo wir fast täglich, wöchentlic­h monatlich mit großen Fortschrit­ten konfrontie­rt sind.“

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Richard Greil (Uni-Klinik Salzburg), Gabriele Kuhn (KURIER), Anita Kienesberg­er (Kinder-Krebs-Hilfe), Matthias Preusser (MedUni Wien), v.l.n.r.

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