Erhöhte Alarmbereitschaft nach Anschlag auf Synagoge
Zwei Tote in Halle. Bewaffneter filmte sich bei Angriff, er wollte zu Jom Kippur Blutbad verüben
Ein Terroranschlag in Halle/Saale erschüttert die Bundesrepublik Deutschland. Ein bis an die Zähne bewaffneter Mann wollte offenbar ein Massaker in einer Synagoge anrichten. Die Tat erinnert frappant an den Terroranschlag von Christchurch in Neuseeland vom März 2019, als ein maskierter Mann in zwei Moscheen 51 Menschen tötete. Der Täter hatte damals seinen Terroranschlag live via Facebook-Video übertragen. Auch diesmal wurde die Tat live gestreamt.
Als Datum hatte sich der mutmaßliche Täter, den Medien später als den 27-jährigen Neonazi Stephan B. identifizierten, Jom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertag, ausgesucht.
Der maskierte und schwer bewaffnete Mann in Kampfanzug „mit Helm und Stiefeln“versuchte in die Synagoge einzudringen. Zu Mittag sich 70 bis 80 Gläubige in dem Gotteshaus. Die Sicherungsvorkehrungen hatten aber „dem Angriff standgehalten“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorotzki dem Spiegel.
„Gott hat uns geschützt“
Denn der Tempel war von innen verschlossen. Um Einlass zu erhalten, muss man sich, wie auch in Wien, beim Sicherheitsdienst ausweisen.
Durch die Überwachungskamera beobachteten die Menschen in der Synagoge, wie der Täter versuchte, ins Gebäude einzudringen. Es waren Schüsse zu hören, der Gottesdienst wurde abgebrochen.
„Der Täter schoss mehrfach auf die Tür und warf auch Molotowcocktails, Böller oder Granaten, um einzudringen. Aber die Tür blieb zu. Gott hat uns geschützt. Das Ganze dauerte vielleicht zehn Minuten“, sagte Max Privorotzki.
Der KURIER hat das Video gesehen, wird es aber nicht veröffentlichen. Zu sehen ist darauf ein Mann, der sein Verbrechen ganz nüchtern plant und versucht, auszuführen. Allerdings dürfte er, anders als der Attentäter von Christchurch, nicht im Besitz vollautomatischer Waffen gewesen sein. Er war offenbar mit gebastelten Schusswaffen und Sprengsätzen oder Brandbomben unterwegs.
Zufallsopfer
Eine Frau, die zufällig vorbeigeht, und die sich über die Erscheinung des Mannes wunbefanden dert und ihn anspricht, wird vom Täter mit drei Kugeln in den Rücken erschossen. Später, als die Versuche, in das Gebäude einzudringen, immer wieder scheitern, schießt er auf den Leichnam. Dabei trifft er unabsichtlich auch den Reifen seines eigenen Wagens.
Immer wieder flucht der Mann, auf sich, auf seine selbst gebauten Waffen. Weitere Versuche, Passanten, die zufällig vorbeikommen und der Frau helfen wollen, ebenfalls zu erschießen, scheitern, weil seine Waffen versagen.
Der Mann fährt dann mit dem Pkw wenige Hundert Meter weiter, bis zu einem Döner-Imbiss. Dort erschießt der Mann ebenfalls kaltblütig und nach mehreren Fehlversuchen einen Mitarbeiter.
Als nach etwa zehn bis 15 Minuten die Polizei eintrifft – für die Menschen in der Synagoge wohl eine Ewigkeit – fallen auf der Straße mehrere Schüsse. Der Verdächtige dürfte angeschossen werden. Dann endet das Video.
Danach setzte er sich in den Wagen und flüchtete nach Landsberg am Lech, hielt dort bei einer Werkstätte, und versuchte dort ein neues Fluchtfahrzeug zu besorgen. Dabei wurden ein Mann und eine Frau angeschossen und schwer verletzt.
Polizei kritisiert
Wenig später allerdings konnte der Verdächtige festgenommen werden – nach einem Unfall mit einem Lkw. Nachdem zunächst unklar war, ob es sich hier um einen Einzeltäter handelt, wurde in Halle „Amoklage“ausgerufen. Die Menschen wurden aufgefordert, nicht aus den Fenstern zu schauen. Die Gläubigen mussten insgesamt fünf Stunden in ihrer Synagoge ausharren, ehe sie in Sicherheit gebracht werden konnten.
Kritik gab es von der Jüdischen Gemeinde an der Polizei: „Die waren zu spät vor Ort“, wurde in einem Video verbreitet. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte: „Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös.“
Der Generalbundesanwalt zog die Ermittlungen wegen Terrorverdachts an sich. Ermittelt wird in Richtung rechtsradikaler Zirkel. Auch wurden sowohl in Deutschland aber auch in Österreich die Sicherheitsvorkehrungen vor jüdischen Einrichtungen verstärkt.
Zum 27-jährigen Verdächtigen ist bekannt, dass er in Halle eine Wohnung hat. Der Nachbar beschreibt ihn als ruhig, der Täter soll viel zu Hause gewesen sein.