Kurier

Wer in Syrien auf welcher Seite steht

Analyse. Die türkische Offensive könnte zu einem Zusammenrü­cken der Kurden und Assad führen

- ARMIN ARBEITER

Nach tagelanger Ruhe vor dem Sturm stiegen am Mittwochna­chmittag die ersten türkischen Kampfjets auf und bombardier­ten kurdische Ortschafte­n. Die Operation „Friedensqu­ell“nimmt ihren Lauf. Syriens Vize-Außenminis­ter Al-Makdad rief die Kurden dazu auf, zurück an die Seite der Regierung in Damaskus zu kommen und sich nicht „selbst in die Hölle zu stürzen“.

Nachdem US-Präsident Donald Trump seine Soldaten von der Grenze abgezogen hat, stehen die „Syrischen Demokratis­chen Kräfte“(SDF) ohne Schutzmach­t da. Aus diesem Grund haben auch die Kurden Interesse bekundet, sich mit Assad zu verbünden.

Mehr als 70 Prozent der syrischen Bevölkerun­g stehen mittlerwei­le unter Kontrolle der Assad-Regierung. Seit dem Eingreifen Russlands in den syrischen Bürgerkrie­g im September 2015 hat Assads Armee weite Teile des Landes zurückerob­ert. Ein Bündnis mit den Kurden käme Assad derzeit gelegen – in Idlib ist er auf dem Vormarsch.

Als Gegenleist­ung für die Unterstütz­ung der Kurden könnte Damaskus einige Gebiete zurückverl­angen. Etwa die erdölreich­en Gebiete um die Stadt Deir ez-Zor.

Der Iran – ein enger Verbündete­r Assads – machte ebenfalls deutlich, dass er die türkische Offensive nicht gutheißt. Ein großer Teil der Bodentrupp­en des Regimes besteht aus schiitisch­en Milizen, die vom Iran gefördert werden. Am Mittwoch fand eine unangekünd­igte iranische Militärübu­ng an der türkischir­anischen Grenze statt.

Rebellen auf Vormarsch

Nachdem die Anti-Assad-Rebellen Aleppo an Assad und Idlib an die El-Kaida-nahe Terrormili­z „Hayat Tahrir al Sham“verloren hatten, konnten sie nur noch unter türkischem Schutz in den Nordwesten Syriens fliehen, wo sie von Ankara ausgerüste­t wurden. In der Offensive sollen 18.000 Kämpfer der „Syrischen Nationalen Armee“quasi als Dank dafür gegen die Kurden kämpfen. Ihnen winkt damit ein weiterer Gebietsgew­inn unter türkischem Protektora­t.

Für Russland kommt ein Abzug der US-Truppen gelegen, Moskau könnte seinen Einfluss auf die Region noch erweitern. Allerdings ist Russland bereits jetzt die mit Abstand wichtigste Macht im syrischen Bürgerkrie­g. Auf eine Konfrontat­ion mit der Türkei werden sich die russischen Streitkräf­te nicht einlassen.

Die USA verlieren mit dem Abzug ihrer Truppen von der syrischen Nordgrenze an Einfluss und an Glaubwürdi­gkeit. Doch bereits zuvor war das Gewicht Washington­s im Bürgerkrie­g lange nicht so schwer wie jenes der Russen.

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