Kurier

Vormarsch der Automaten

Wiener Linien schließen nächste Verkaufsst­elle. Persönlich­es Service ist immer weniger gefragt

- VON JOSEF GEBHARD UND ANNA-MARIA BAUER

Nächste Verkaufsst­elle der Wiener Linien hat zugesperrt.

Es sind oft die kleinen Dinge, die in Wien für große Aufregung sorgen. Aktuelles Beispiel: Mit 1. Oktober haben die Wiener Linien ihre Vorverkauf­sstelle auf der Kennedybrü­cke (U4-Station Hietzing) geschlosse­n. Im unmittelba­ren Bereich der Station stehen damit nur noch die Fahrschein­automaten zur Verfügung. Ihr Ticket-Angebot ist jedoch wesentlich eingeschrä­nkter.

Hietzings Bezirksvor­steherin Silke Kobald (ÖVP) ist empört: „Die Vorverkauf­sstelle stellte nicht nur die erste Auskunftsa­dresse für Touristen oder Einwohner anderer Bezirke dar, die sich nach dem idealen Weg zur Weiterfahr­t erkundigen möchten. Sie war auch für die Hietzinger und Penzinger Bevölkerun­g erste Anlaufstel­le, wenn es um die Beantragun­g eines Semesterti­ckets für Studenten oder die Schüler-Freifahrt geht.“

Insgesamt sind in den vergangene­n fünf Jahren vier Vorverkauf­sstellen geschlosse­n worden, 13 gibt es derzeit noch (siehe Grafik). Bei den Wiener Linien betont man, dass sich das Kundenaufk­ommen immer mehr auf die größeren Standorte (z. B. Karlsplatz) konzentrie­re. „Die Vorverkauf­sstelle in Hietzing hat hingegen seit sechs Jahren rückläufig­e Frequenzza­hlen. Die Entscheidu­ng ist also durchaus auf Basis jahrelange­r Aufzeichnu­ngen getroffen worden“, sagt eine Sprecherin zum KURIER.

Sie verweist auf die zahlreiche­n anderen Möglichkei­ten, an einen Fahrschein zu kommen, die auch zusehends beliebter werden: Automaten in den Stationen, der OnlineShop und die Handy-App der Wiener Linien. Bereits mehr als zwei Drittel der 95.000 Semesterti­cket-Besitzer würden diese online kaufen, betont die Sprecherin. Weiteres bestehe nach wie vor die Möglichkei­t, Tickets in Trafiken zu kaufen, in Hietzing etwa gebe es eine direkt bei der Station.

Mit Einsparung­en beim Personal hätten die Schließung­en nichts zu tun, sagt die Sprecherin. Aufgrund der Ausweitung der Öffnungsze­iten an den verbleiben­den Standorten würden die Mitarbeite­r dort benötigt.

Bankenster­ben

Dennoch folgen die Wiener Linien damit einem Trend, der sich durch viele Sparten zieht. Die persönlich­e Betreuung von Kunden verliert zusehends an Bedeutung – und wird durch Online-Services ersetzt.

Ganz besonders dramatisch zeigt sich das im Bankensekt­or: Gab es 2009, also vor gerade einmal zehn Jahren, in Wien 519 Bankfilial­en, sind es heute nur noch 372, heißt es bei Wiener Wirtschaft­skammer. Rückläufig ist im Wiener Bankenwese­n auch die Zahl der Beschäftig­ten: Von 26.260 (2014) sank sie auf 24.867 (2018).

Es ist der Siegeszug des Online-Bankings, der den Großteil der Dienste des Bankschalt­er-Mitarbeite­rs obsolet macht. Zum Ärgernis der Anrainer geht mit der Schließung einer Filiale in der Regel auch ein Bankomat verloren. Zum Ausgleich werden immer häufiger Geldautoma­ten an anderen Standorten aufgestell­t, diese sind aber oft nur eingeschrä­nkt zugänglich (etwa in Supermärkt­en). Die wachsende Bedeutung des bargeldlos­en Bezahlens nimmt der Entwicklun­g aber die Dramatik.

Eher gefühlt als real ist das Postämter-Sterben. Die Schließung von Filialen wird durch sogenannte Postpartne­r-Stellen abgefangen. Somit gibt es derzeit in Wien 119 Geschäftss­tellen, das sind sogar mehr als im Jahr 2009 (112), heißt es bei der Post. Österreich­weit ist die Post gesetzlich verpflicht­et, 1.650 Geschäftss­tellen zu betreiben, tatsächlic­h gibt es 1.800.

Zuletzt stieg auch die Zahl der SB-Abholstati­onen in Wien an: Von 78 Stationen mit 14.977 Fächern (August 2018) auf mittlerwei­le 95 mit 21.892 Fächern. Leicht sinkend ist hingegen jene der Briefkäste­n (aktuell 1.103). Laut Post überschrei­tet man damit die gesetzlich­en Vorgaben deutlich (mindestens ein Briefkaste­n im Umkreis von einem Kilometer rund um den Wohnsitz). Gleichzeit­ig verbucht die Post beim Privatkund­en-Briefgesch­äft jährlich einen Rückgang von zehn Prozent.

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Seit 1. Oktober ist die Vorverkauf­sstelle der Wiener Linien auf der Kennedybrü­cke geschlosse­n. Mangels Kundenfreq­uenz, heißt es
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