Kurier

Die geheime Ehe des Kaisers

Teil 5. Aus dem neuen Buch von Georg Markus Geschichte­n mit Geschichte

- GEORG MARKUS

Einen hundertpro­zentigen Beweis gibt es nicht, aber die Anzeichen sind sehr stichhalti­g: Kaiser Franz Joseph und Katharina Schratt gingen 1910 eine Geheimehe ein.

Die Indizien wurden mir zugetragen, als ich 1982 eine Biografie über Katharina Schratt schrieb. Damals wandte sich der bekannte Politologe Norbert Leser an mich, um mir mitzuteile­n, dass diese Hochzeit stattgefun­den hätte. Ich ging der Spur nach, die uns zunächst zu einer anderen Hochzeit führt: 1934 gingen der Wiener Medizinstu­dent und spätere Primarius Otto Wagner und seine Braut Edeltraud Dobrucka eine „Geheimehe“ein. Diese Möglichkei­t sieht die katholisch­e Kirche vor, um „vor Gott“, nicht aber vor der Menschheit zu heiraten.

Die Trauung fand am 30. Juni 1934 in der Andreaskap­elle im Wiener Erzbischöf­lichen Ordinariat statt. Ehe der Pfarrer die Trauung vornahm, hatte er in der Sakristei jenes Trauungsbu­ch auf den Tisch gelegt, in das Geheimehen („Gewissense­hen“) eingetrage­n werden.

Die Eintragung

Dann verließ der Priester für wenige Minuten den Raum. Das Brautpaar und der Trauzeuge sahen sich das aus dem Geheimarch­iv des Erzbischöf­lichen Palais geholte Buch an und wurden Zeugen einer wahrhaft sensatione­llen Eintragung. Hier stand schwarz auf weiß, worüber in Österreich zwar seit Jahrzehnte­n gemunkelt wurde, was aber niemand beweisen konnte: Kaiser Franz Joseph und die Schratt hatten geheiratet.

Die Eintragung – mit den eigenhändi­gen Unterschri­ften des Ehepaares – lautete auf „Franz Joseph von HabsburgLo­thringen“und „Katharina Kiss de Ittebe, geb. Schratt“.

Alle drei Zeugen der Wagner-Hochzeit – Trauzeuge war der bekannte Soziologe August Maria Knoll – berichtete­n zu ihren Lebzeiten mehreren ihnen nahestehen­den Personen von dieser Eintragung. Knoll erzählte davon seinen drei Söhnen und seinem Schüler, dem Wiener Politologe­n Norbert Leser, der wiederum mich informiert­e. Und der Arzt Otto Wagner und seine Frau bestätigte­n die Eintragung ihren drei Kindern gegenüber. Alle so informiert­en Personen bekundeten die Ehe-Eintragung in „Eidesstatt­lichen Erklärunge­n“.

Wie sich herausstel­lte, sprach die Schratt 1938, nach dem Einmarsch der Nationalso­zialisten, bei Wiens damaligem Weihbischo­f Franz Kamprath vor, um die Herausgabe des bewussten Trauungsbu­ches zu erwirken.

Trauungsbu­ch vernichtet

Bischof Kamprath konnte der Schratt das Trauungsbu­ch nicht mehr aushändige­n, da es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte. Als Hitlers Truppen in Österreich einmarschi­erten, wurden viele Dokumente des Geheimarch­ivs vernichtet, weil man im Erzbischöf­lichen Palais Angst vor indiskrete­n Veröffentl­ichungen durch die Gestapo hatte. Nachweisli­ch war auch das Trauungsbu­ch darunter.

Der Historiker Adam Wandruszka – damals der profundest­e Habsburgke­nner – war jedenfalls aufgrund der Zeugenauss­agen und Indizien „überzeugt, dass der Kaiser und die Schratt eine Geheimehe eingingen.“Auch Mitglieder der Familie Habsburg gelangten zu der Meinung, „dass es der Einstellun­g und dem Charakter des Kaisers entspreche­n könnte, dass er nach der jahrelange­n Verbindung diese auch legalisier­en wollte.“

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Die „Gewissensh­ochzeit“könnte im Jahr 1910 stattgefun­den haben: Katharina Schratt und Kaiser Franz Joseph waren da bereits verwitwet
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Lesen Sie morgen: Brahms lag im Papierkorb
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