Gesichtsverlust
Filmkritik Pierre Niney als Feuerwehrmann, der durch einen Brand entstellt wird
Durch das Feuer. F 2018. 116 Min. . Von Frédéric Tellier. Mit Pierre Niney, Anaïs Demoustier, V. Rottiers. KURIER-Wertung:
Keine Ahnung, wie andere Feuerwehrmänner ihren Tag beginnen, aber in Paris singen sie zuerst einmal die Nationalhymne. Und zwar aus voller Brust. Danach wird salutiert und der toten Kameraden gedacht, ehe es mit dem morgendlichen Drill losgeht: Liegestütz und Lauftraining, als stünde man knapp vor einem Militäreinsatz. Doch das Einsatzgebiet sind die Straßen von Paris, Autounfälle, Herzinfarkttote und brennende Lagerhallen.
Am vorderster Front steht Brandmeister Franck, der mit Leib und Seele seine Arbeit als Feuerwehrmann verrichtet und am liebsten mehrmals täglich Leben rettet. Nebenbei ist er hingebungsvoller Ehemann einer entzückenden Frau und bald auch Vater hinreißender Zwillingstöchter. Sein Leben ist so perfekt, dass es fast schon wehtut.
Ein schwerer Feuerunfall setzt dem Familienidyll ein jähes Ende und bringt Franck an den Rand des Todes. Danach ist nichts mehr wie früher – inklusive seinem Gesicht, das durch den Brand schwer entstellt wurde.
Der Franzose Pierre Niney, bekannt durch seine kongeniale Verkörperung von Mode-Star Ives Saint Laurent, lässt die etwas stereotype Geschichte vom tapferen Feuerwehrmann, der nach schwerem Unglück zurück
ins Leben finden muss, durch sein feinfühliges Spiel von ihrer Erwartbarkeit abweichen.
Besonders im Mittelteil, wo Franck mit Schrecken den Zustand seines beschädigten Gesichts entdeckt, in Wut und Selbstmitleid verfällt und seine Frau entfremdet, entfaltet Niney ergreifend dramatisches Potenzial.
Quälende Therapie
Überhaupt liegt die Stärke von Regisseur Frédéric Tellier vor allem im realistischen Detail – sei es während der Feuerwehreinsätze, sei es während quälender Therapiestunden im Spital: Mit kompetenter Regiehand – und manchmal auch wackelnder Kamera – erzeugt er selbst dort Spannung, wo die wenig originelle Geschichte eigentlich kaum eine zulässt.
Pierre Niney wiederum macht spürbar, wie schwer es ist, sich nicht unter den Trümmern seines eigenen Lebens begraben zu lassen.
Und was es bedeutet, sein Gesicht zu verlieren.