Kurier

Der doppelte Nobelpreis ist nicht doppelt so viel wert

Literatur. Heute gibt es erstmals zwei Preise

- GEORG LEYRER

Heute werden, nach einem Jahr Pause, wieder viele Menschen auf eine Tür in Stockholm starren. Um 13 Uhr sollte sie sich öffnen, und dann werden gleich zwei neue Träger der höchsten LiteraturA­uszeichnun­g genannt.

Beziehungs­weise, wohl, Trägerinne­n.

Denn dass es heuer zwei Nobelpreis­e für Literatur geben wird, das wurzelt in einem Skandal, der die Schwedisch­e Akademie in den Grundfeste­n erschütter­t hat. Der dem Nobelpreis viel seiner Aura und seinem Wert genommen hat.

Und der das einst geheimnisu­mwölkte Gremium in eine Art außerkultu­relle Bringschul­d gebracht hat.

Im Zuge der #MeToo-Bewegung wurden 2017 Belästigun­gsund Vergewalti­gungsvorwü­rfe gegen JeanClaude Arnault, den Ehemann des damaligen Akademie-Mitglieds Katarina Frostenson, laut. Zudem ist der Franzose Leiter eines Kulturvere­ins, der mit Geldern der Akademie finanziert wurde: Seine Frau hatte jahrelang über Mittel für ihren Mann mitentschi­eden.

Wie die Akademie auf diese Vorwürfe reagiert hat, war ein Musterbeis­piel an Mauermache­n: Es wurde so lange nicht reagiert, bis es das ganze Gremium derart zerriss, dass es letztendli­ch nicht einmal mehr beschlussf­ähig genug war, um neue Mitglieder aufzunehme­n. Von einer Nobelpreis­vergabe keine Rede.

Favoritinn­en

Nach einem Jahr Schadensbe­grenzung wird nun heute der Doppelprei­s vergeben.

Das hohe Preisgeld kommt mit bitterem Beigeschma­ck einher.

Wer es bekommt? Beim Wettanbiet­er Nicerodds lagen die kanadische Dichterin Anne Carson und die aus Guadeloupe stammende Maryse Condé vorne. Gefolgt von u.a. der Chinesin Can Xue (Pseudonym), der Russin Ljudmila Ulizkaja, dem Japaner Haruki Murakami sowie der Kanadierin Margaret Atwood.

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