Das Live-Video des Attentats bleibt in Umlauf
Twitch. Das Verbreiten solcher Inhalte soll verhindern werden. Ein vollständiges Löschen aus dem Internet ist aber unmöglich
Die Helmkamera von Stephan B. hat alles festgehalten: Seine rechtsextreme Rede auf Englisch und Deutsch und die tödlichen Schüsse auf Passanten. Er zeigte seine Tat live auf der Plattform Twitch, die normalerweise Spieler und Künstler für ihre Inhalte nutzen. Der Livestream lief 35 Minuten lang und wurde von fünf Personen verfolgt. Nach Ende der Übertragung konnte das Video weitere 30 Minuten lang angesehen werden, bevor es von Twitch entfernt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatten es 2.200 Personen auf der Plattform angesehen. Auch andere Online-Netzwerke wie Facebook, Twitter und YouTube arbeiten gemeinsam daran, dass keine Inhalte, die mit dem Video zusammenhängen, geteilt werden.
Telegram-Gruppen
In einem Statement auf Twitter spricht Twitch davon, dass das Video „koordiniert“über andere Kommunikationskanäle geteilt wurde. Ein solcher Kanal ist der verschlüsselte Nachrichtendienst Telegram. Medien- und Expertenberichten zufolge wurden unterschiedliche Versionen des Videos in mindestens zehn einschlägig rechtsextremen Telegram-Chat-Gruppen geteilt. Damit habe es Zehntausende Nutzer erreicht. Auf einigen Seiten im Internet kann es zudem heruntergeladen werden. So kann das Video unkontrolliert und unbegrenzt kopiert und verbreitet werden.
Das Erstellen von Live-Videos auf Twitch hat keine Einstiegshürde. Nutzer brauchen nur eine gültige eMail-Adresse. Sie bestätigen, dass sie die Nutzungsrichtlinien, die Datenschutzrichtlinien und die Community-Richtlinien gelesen und verstanden haben und diese akzeptieren. Danach wird ein Medium, wie eine Kamera, Smartphone oder ein Computer, über einen Code mit Twitch verbunden. Sind diese Grundlagen geschaffen, kann man jederzeit einen Livestream starten. Die Twitch-Richtlinien verbieten gesetzeswidrige und gewaltverherrlichende Inhalte. Kontrolliert wird das Einhalten dieser Verbote von anderen Nutzern. Wer Verstöße bemerkt, meldet sie an Twitch. Der betroffene Kanal oder das Video wird dann überprüft und, wie im Fall von Stephan B., gelöscht. Werden solche oder ähnliche Inhalte aber nicht von TwitchNutzern gemeldet, bleiben sie oft unentdeckt.
EU-Regeln
Die EU diskutiert seit dem Attentat in Christchurch, das live auf Facebook gestreamt wurde, wie man solche Videos verhindern kann. Am 7. Oktober wurde deshalb das EU-Krisenprotokoll verabschiedet. Es soll die „virale Verbreitung terroristischer und extremistischer Gewaltinhalte im Internet“eindämmen. Dazu gehört das Führen gemeinsamer Datenbanken und das Löschen betroffener Inhalte innerhalb von 60 Minuten nach der Veröffentlichung. Die EU-Mitgliedsstaaten und Firmen wie Facebook, Twitter, Google und Microsoft verpflichten sich freiwillig zur Einhaltung des Protokolls.
Eine vollständige Löschung von Videos kann so allerdings nicht garantiert werden. Die Firmen können nur daran arbeiten, ihre eigene Plattform von verbotenen Inhalten freizuhalten.