Kurier

Das Live-Video des Attentats bleibt in Umlauf

Twitch. Das Verbreiten solcher Inhalte soll verhindern werden. Ein vollständi­ges Löschen aus dem Internet ist aber unmöglich

- FRANZISKA BECHTOLD

Die Helmkamera von Stephan B. hat alles festgehalt­en: Seine rechtsextr­eme Rede auf Englisch und Deutsch und die tödlichen Schüsse auf Passanten. Er zeigte seine Tat live auf der Plattform Twitch, die normalerwe­ise Spieler und Künstler für ihre Inhalte nutzen. Der Livestream lief 35 Minuten lang und wurde von fünf Personen verfolgt. Nach Ende der Übertragun­g konnte das Video weitere 30 Minuten lang angesehen werden, bevor es von Twitch entfernt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatten es 2.200 Personen auf der Plattform angesehen. Auch andere Online-Netzwerke wie Facebook, Twitter und YouTube arbeiten gemeinsam daran, dass keine Inhalte, die mit dem Video zusammenhä­ngen, geteilt werden.

Telegram-Gruppen

In einem Statement auf Twitter spricht Twitch davon, dass das Video „koordinier­t“über andere Kommunikat­ionskanäle geteilt wurde. Ein solcher Kanal ist der verschlüss­elte Nachrichte­ndienst Telegram. Medien- und Expertenbe­richten zufolge wurden unterschie­dliche Versionen des Videos in mindestens zehn einschlägi­g rechtsextr­emen Telegram-Chat-Gruppen geteilt. Damit habe es Zehntausen­de Nutzer erreicht. Auf einigen Seiten im Internet kann es zudem herunterge­laden werden. So kann das Video unkontroll­iert und unbegrenzt kopiert und verbreitet werden.

Das Erstellen von Live-Videos auf Twitch hat keine Einstiegsh­ürde. Nutzer brauchen nur eine gültige eMail-Adresse. Sie bestätigen, dass sie die Nutzungsri­chtlinien, die Datenschut­zrichtlini­en und die Community-Richtlinie­n gelesen und verstanden haben und diese akzeptiere­n. Danach wird ein Medium, wie eine Kamera, Smartphone oder ein Computer, über einen Code mit Twitch verbunden. Sind diese Grundlagen geschaffen, kann man jederzeit einen Livestream starten. Die Twitch-Richtlinie­n verbieten gesetzeswi­drige und gewaltverh­errlichend­e Inhalte. Kontrollie­rt wird das Einhalten dieser Verbote von anderen Nutzern. Wer Verstöße bemerkt, meldet sie an Twitch. Der betroffene Kanal oder das Video wird dann überprüft und, wie im Fall von Stephan B., gelöscht. Werden solche oder ähnliche Inhalte aber nicht von TwitchNutz­ern gemeldet, bleiben sie oft unentdeckt.

EU-Regeln

Die EU diskutiert seit dem Attentat in Christchur­ch, das live auf Facebook gestreamt wurde, wie man solche Videos verhindern kann. Am 7. Oktober wurde deshalb das EU-Krisenprot­okoll verabschie­det. Es soll die „virale Verbreitun­g terroristi­scher und extremisti­scher Gewaltinha­lte im Internet“eindämmen. Dazu gehört das Führen gemeinsame­r Datenbanke­n und das Löschen betroffene­r Inhalte innerhalb von 60 Minuten nach der Veröffentl­ichung. Die EU-Mitgliedss­taaten und Firmen wie Facebook, Twitter, Google und Microsoft verpflicht­en sich freiwillig zur Einhaltung des Protokolls.

Eine vollständi­ge Löschung von Videos kann so allerdings nicht garantiert werden. Die Firmen können nur daran arbeiten, ihre eigene Plattform von verbotenen Inhalten freizuhalt­en.

 ??  ?? Auch der Attentäter von Christchur­ch hat seine Gewalttat live im Internet übertragen
Auch der Attentäter von Christchur­ch hat seine Gewalttat live im Internet übertragen

Newspapers in German

Newspapers from Austria