Kurier

„Alle zwei Tage ein neues Windrad“

Klimaziel. Um Österreich­s Stromerzeu­gung komplett „grün“zu machen, ist enormer Neubau von Kraftwerke­n nötig

- VON IRMGARD KISCHKO

Im Jahr 2030 soll die österreich­ische Stromerzeu­gung zur Gänze CO2-frei sein: Also nur noch Wasserkraf­t, Wind, Sonne oder Biomasse kommen als Energieque­llen infrage. „Das heißt: Wir müssen gut zehn Jahre lang jeden zweiten Tag ein neues Windrad, alle drei Minuten eine Solaranlag­e (je 5 Kilowatt) und alle zwei Jahre ein Wasserkraf­twerk in der Größe des Kraftwerks Freudenau errichten“, beschreibt Barabara Schmidt, Generalsek­retärin des E-Wirtschaft­sverbands, Österreich­s Energie, die Lage drastisch.

Nur so käme man auf die rund 30 Terawattst­unden zusätzlich­er Stromerzeu­gung, die laut Prognose der Energiever­sorger bis 2030 benötigt werden.

Derzeit kommen rund drei Viertel des gesamten heimischen Stromverbr­auchs aus erneuerbar­en Quellen. Die Fakten sind für die Energiebra­nche also klar. Die Umsetzung aber ist das große Problem. Und zwar nicht, weil das Geld dafür fehlt, sondern weil es an der Akzeptanz für neue Kraftwerke in der Bevölkerun­g mangle.

Ende der Romantik

Günter Brauner, Energiewis­senschafte­r und ehemaliger Professor an der TU Wien, betont denn auch, dass zunächst die Menschen von der Wichtigkei­t der Energiewen­de überzeugt werden müssen. „Die Romantik des Ökostroms ist vorbei. Wir müssen zur Umsetzung kommen“, sagt er. Und die E-Wirtschaft müsse einsehen, dass der Bau neuer Kraftwerke nicht von politische­n Genehmigun­gsverfahre­n abhänge, sondern von Bürgerinit­iativen.

Da fehlt es offenbar an Aufklärung­sarbeit. So sei das errechnete Potenzial für neue Windenergi­eanlagen in Österreich mit 10 bis 13 Terawattst­unden nur dann nutzbar, wenn Windräder nahe an Siedlungen gebaut werden dürften. „Ein vorgeschri­ebener Abstand von 1.000 Metern würde das Ausbaupote­nzial um 60 Prozent verringern, bei 2.000 Metern Abstand, wie es in Bayern der Fall sei, gar um 97 Prozent. Extrem skeptisch zeigte sich Brauner auch in puncto Wasserstof­f. Die Euphorie einiger Experten, wonach Wasserstof­f die wahre Zukunft der Energiebra­nche sei, findet der Wissenscha­fter übertriebe­n. Grund: Bei der Erzeugung von Wasserstof­f in der Elektrolys­e geht viel Energie verloren. Und der Prozess ist derzeit noch viel zu teuer.

Vorsicht bei E-Autos

Der Umstieg auf E-Fahrzeuge ist aus Klimasicht zwar vorteilhaf­t, Brauner warnt aber davor, die sozialen Auswirkung­en zu unterschät­zen. So würden in Deutschlan­d schon bei einem E-Auto-Anteil von 25 Prozent mehr als ein Drittel der Autoindust­rieJobs wegfallen. „Diesen Umstieg muss man daher vorsichtig angehen“, betont Brauner.

Gravierend­e Auswirkung­en wird die Energiewen­de auch auf die Stromnetze haben. Weil immer mehr Haushalte mit Fotovoltai­kanlagen selbst Strom erzeugen und ins Netz einspeisen, müssen die Leitungen verstärkt werden. 18 Milliarden Euro an Investitio­nen bis 2030 seien dafür nötig, schätzt Franz Strempfl, Chef der Netze Steiermark. Das bedeute Zusatzkost­en für die Stromkunde­n.

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An Windräder in Ortsnähe sollten sich die Österreich­er gewöhnen. Denn ohne erhebliche­n Ausbau ist die Energiewen­de nicht zu schaffen

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