Kurier

1.000 Festnahmen

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hatten singend die ZweierLini­e vor dem Wiener Museumsqua­rtier blockiert, bis sie weggetrage­n wurden.

Ruhig, freundlich, ohne Widerstand zu leisten.

Bilder wie diese sind ganz genau das, was sich die Organisati­on wünscht. Die Gruppe setzt auf gewaltfrei­en zivilen Ungehorsam, um Regierunge­n endlich zu entschiede­nerem Handeln in Anbetracht der Klimakrise zu bewegen.

Das klingt harmlos, doch: die Gruppe polarisier­t.

In Österreich noch relativ neu und unbekannt, sorgt die Organisati­on vor allem in ihrem Ursprungsl­and England seit der Gründung vor einem Jahr mit gewaltlose­n Blockadeak­tionen für Aufsehen. Bereits mit ihrer ersten Aktion im November 2018 waren den Aktivisten die Schlagzeil­en sicher: Über Stunden blockierte­n sie fünf zentrale ThemseBrüc­ken. Und erst am Donnerstag erklomm ein paralympis­cher Athlet in London eine British-Airways-Maschine für einen Sitzstreik.

Umstritten­er Gründer

Für Aufsehen sorgen aber auch immer wieder die Aussagen von Roger Hallam, einem ehemaligen Biobauern und einem der XR-Gründer. Der Zeit sagte er, auch wer „ein bisschen sexistisch oder rassistisc­h denkt“, könne mitmachen. Dem Spiegel erzählte er wiederum, das Thema Klimaschut­z sei „größer als die Demokratie“.

Kein Wunder also, dass die Gruppe mit Kritik von weit rechts („Öko-Terroriste­n“) bis weit links („staatsgläu­big, unkritisch“) konfrontie­rt ist.

Die Frage ist: Zurecht? Handelt es sich bei XR um einen Haufen radikaler Spinner, die die Demokratie infrage stellen? Um obrigkeits­hörige Pseudo-Revolution­äre? Oder doch nur um ganz normale Menschen, die sich vor einer ökologisch­en Katastroph­e fürchten?

Am Tag nach der Blockade vor dem Museumsqua­rtier in einem Café an der Wienzeile. Paul, 32-jähriger Ökologie-Absolvent, blonde Haare, Zweitageba­rt, freundlich­es, offenes Gesicht, ist Sprecher von XR Österreich und erklärt, warum man sich vor den Klimaschüt­zern nicht fürchten müsse: „Uns geht es nur darum, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalte­n und das Artensterb­en zu beenden. Und das so, dass es so wenige Verlierer London wie möglich in der Gesellscha­ft gibt.“

XR begreift sich als strikt überpartei­lich. Was heißt das konkret? „Dass wir uns aus dem ideologisc­hen Hickhack und Schuldzuwe­isungen heraushalt­en.“Hallams Aussage über die Demokratie kann Paul nichts abgewinnen.

Aber: Auch er findet, das zerstritte­ne Parteiensy­stem lähme die Gesellscha­ft bei wichtigen Themen wie dem Klimaschut­z. Darum ist eine der Forderunge­n, dass eine vom Staat eingesetzt­e Bürgervers­ammlung gemeinsam mit Experten Lösungen für die Klimakrise erarbeiten soll.

Dafür kämpft XR mit Mitteln des zivilen Ungehorsam­s – aber radikal freundlich. Bei Autofahrer­n, die wegen XR-Aktionen im Stau stehen, entschuldi­gt man sich. Wer Polizisten beschimpft, ist unerwünsch­t.

Ein schlaues Vorgehen: Für die Akzeptanz in der Bevölkerun­g sei die Gewaltfrei­heit „ganz zentral“, sagt

Die Polizei in London hat seit Montag mehr als 1.000 Klimaaktiv­isten festgenomm­en. Etwa 50 Anhänger der Umweltschu­tzgruppe Extinction Rebellion setzte Scotland Yard am Donnerstag am City Airport von London fest. Dort hatten Aktivisten versucht, den Betrieb zu stören. Einem Mann mit einem Flugticket war es gelungen, beim Boarding auf das Dach einer Maschine zu klettern. Die Chefin von Scotland Yard, Cressida Dick, nannte das „rücksichts­los, dumm und gefährlich“. Laut britischen Medien handelt es sich bei dem Mann um einen früheren paralympis­chen Radsportle­r.

Soziologin Ruth Simsa von der WU Wien auf KURIER-Anfrage. Der Politikwis­senschaftl­er Ulrich Brand von der Universitä­t Wien stellt sich jedoch auch die Frage, „wie weit das durchhaltb­ar ist“, falls die Polizei doch einmal brutal durchgreif­e. Sei doch aus der Forschung bekannt, dass die herrschend­e Politik Bewegungen, die zu stark werden, häufig über die „Gewaltfrag­e“zu spalten versuche.

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