Kurier

Undurchsic­htige Geschäfte im sozialen Wohnbau

Rechnungsh­of ortet Freunderlw­irtschaft bei Geschäftsa­bschlüssen

- VON ANDREAS ANZENBERGE­R

Kritik an interner Kontrolle. Der Rechnungsh­of will mehr Prüfkompet­enz im gemeinnütz­igen Wohnbau. Denn geht es nach dem jüngsten Bericht, liegt dort einiges im Argen. Bei einem Bauträger erbrachte der Sohn eines Vorstandsm­itglieds Rechtsbera­tung, ein anderer stellte die Tochter eines Vorstands als Hausverwal­terin an. Aufsichtsr­atsmitglie­der wurden von wiederum anderen Bauträgern mit Mahn- und Räumungskl­agen beauftragt, und Familienmi­tglieder kauften Wohnungen zu Preisen, deren Angemessen­heit nicht nachvollzi­ehbar war.

Ärger für Mieter

Auch für die Mieter gibt es immer wieder ärgerliche Situatione­n. Wer selber einen Handwerker beauftragt, bleibt oft auf den Kosten sitzen. Nur Unternehme­n, die dem Bauträger nahestehen, dürfen engagiert werden. Oft dauert jedoch die Durchführu­ng einfacher Arbeiten mehrere Monate.

Der Rechnungsh­of will künftig mit externen Prüfern zusammen arbeiten, um solche Gepflogenh­eiten abzustelle­n.

Der Rechnungsh­of sieht dringenden Reformbeda­rf bei den gemeinnütz­igen Bauträgern. Auf fünf Seiten des betreffend­en Berichts werden insgesamt 35 Reformvors­chläge aufgeliste­t. Der Bericht ist praktisch eine Handlungsa­nleitung für die kommende Bundesregi­erung. Kritisiert wird vor allem das massive Kontrollde­fizit.

Der Rechnungsh­of drängt daher auf den Einsatz von externen Prüfern und auf die Ausweitung seiner Prüfkompet­enz. „Insbesonde­re könnten auch Mieter durch erhöhte Transparen­z der Gebarung einer gemeinnütz­igen Bauvereini­gung von einer Ausweitung der Prüfkompet­enz profitiere­n.“

Auftragsve­rgabe

So ist die Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinnütz­igen ein Ärgernis. Es kann Wochen und sogar Monate dauern, bis einfache Reparatura­rbeiten im Haus durchgefüh­rt werden. Der Mieter kann nichts tun, denn der Auftraggeb­er ist der Bauträger. Wenn der Mieter selbst einen Handwerker beauftragt, weigert sich der gemeinnütz­ige Bauträger, die Rechnung zu bezahlen.

Es gibt zudem den Verdacht, dass mit der Geschäftsf­ührung befreundet­e Unternehme­n gute Geschäfte machen. „Zwei Unternehme­n, mit denen ein Gesellscha­fter verbunden war, erbrachten Dienstleis­tungen und lieferten Waren von jeweils unter 75.000 Euro. Ob Vergleichs­angebote eingeholt wurden, ist nicht bekannt“, heißt es im Bericht des Rechnungsh­ofs.

Bei zwei Bauträgern „erbrachte ein Aufsichtsr­atsvorsitz­ender bzw. der Sohn eines Vorstandsm­itgliedes rechtsfreu­ndliche Beratung“für den Bauträger. Ein anderer Bauträger „stellte die Tochter eines Vorstandsm­itgliedes als Hausverwal­terin an“. Aufsichtsr­atsmitglie­der wurden vom Bauträger „mit Mahnund Räumungskl­agen beauftragt“. Die Gattin eines Vorstandsm­itgliedes „wurde mit Werbemitte­ln beauftragt“. Ob es sich um die Herstellun­g oder den Ankauf von Werbemitte­ln handelte, war laut Rechnungsh­of nicht feststellb­ar.

Wohnungsve­rgabe

Weiter im Bericht: „Nahe Angehörige von Vorstandsm­itgliedern mieteten Wohnungen der gemeinnütz­igen Bauvereini­gung, die Tochter eines Vorstandsm­itgliedes sowie dessen Ehefrau kauften Wohnungen. Die Adressen und Lagen der Wohnungen waren ebenso wenig den Compliance-Berichten zu entnehmen wie deren Größe und Ausstattun­g oder die Bestätigun­g, dass ein Wohnbedarf vorliegt.“In den Compliance­Berichten fehlen „Angaben zur Preisangem­essenheit der abgeschlos­senen Geschäfte.“

Dazu ein Beispiel aus Tirol: Der Aufsichtsr­at genehmigte den Verkauf einer Wohnung mit 105 Quadratmet­ern sowie zwei Abstellplä­tze und einem Kellerabte­il in einer Gemeinde in Nähe von Innsbruck. Der Preis betrug 438.000 Euro. Verkauft wurde jedoch eine Wohnung mit 113,78 Quadratmet­ern zuzüglich einer Dachterras­se und Dachgarten mit mindestens 128 Quadratmet­ern um 479.608 Euro. Es war für den Rechnungsh­of nicht nachvollzi­ehbar, ob der Verkaufspr­eis angemessen war.

Gekauft hatte die Gattin des Geschäftsf­ührers des Bauträgers. Der Geschäftsf­ührer war zuvor als Landeshaup­tmann-Stellvertr­eter in der Tiroler Landesregi­erung aktiv.

Revisionsv­erband

Die verbandsei­gene Prüfinstan­z der Gemeinnütz­igen, der Revisionsv­erband, vermochte in einer Sonderprüf­ung nichts Rechtswidr­iges festzustel­len. Aufsichtsb­ehörde für die Gemeinnütz­igen sind eigentlich die Länder. Doch „eine Prüfung der Gebarung von gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen durch Bedienstet­e der Länder fand nicht statt“. Das Land Tirol hat dem Rechnungsh­of mitgeteilt, man habe kein Personal für solche Prüfungen.

Selbstkont­rolle

In Wien hat der Geschäftsf­ührer eines gemeinnütz­igen Bauträgers zwei frei finanziert­e Wohnungen einer gewerblich­en Tochterges­ellschaft als „Anlageobje­kt“gekauft und „leer stehen lassen“. Der Geschäftsf­ührer saß auch im Vorstand des Revisionsv­erbandes.

So ist es also kein Wunder, dass die Kontrolle nicht funktionie­rt. Der Revisionsv­erband ist laut Rechnungsh­of nämlich auch die „Interessen­svertretun­g“der Gemeinnütz­igen. Daher sollen in Zukunft externe Prüfer eingesetzt werden.

Derzeit darf der Rechnungsh­of nur dann prüfen, „wenn Anknüpfung­spunkte wie die öffentlich­e Eigentümer­schaft oder die Beherrschu­ng durch Gebietskör­perschafte­n gegeben sind“. In Tirol, Salzburg und Wien waren das nur acht von 76 gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen. Der Rechnungsh­of würde gerne alle kontrollie­ren.

Dass es bei den Gemeinnütz­igen, die nicht der Rechnungsh­of-Kontrolle unterliege­n, ähnlich zugeht, zeigt das Beispiel Sozialbau.

Gute Kontakte

Der gemeinnütz­ige Bauträger aus Wien hat eine Billig-Wohnung an den Nationalra­tsabgeordn­eten und Gewerkscha­fter Josef Muchitsch vergeben. Die 37-Quadratmet­erWohnung mit Balkon in der Nähe des Parlaments kostet inklusive Betriebsko­sten 285,99 Euro. Nach öffentlich­er Kritik zog Muchitsch wieder aus. Für das ausfinanzi­erte Haus haben keine Einkommens­grenzen mehr gegolten, betonte Muchitsch damals.

Die Sozialbau kann die billigen Wohnungen ohne eine Kontrolle der Einkommens­grenze vergeben. Das ist derzeit auch legal. SPÖ und ÖVP, die den Bereich der gemeinnütz­igen Bauträger beherrsche­n, wollen daran nichts ändern.

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