Kurier

Klassenkam­pf um die Nationalba­nk

Gewerkscha­ft und Arbeiterka­mmer wollen wieder hinein, sind erstmals seit 1945 nicht mehr vertreten Wirtschaft von innen

- ANDREA HODOSCHEK andrea.hodoschek@kurier.at

Ein neuer Gouverneur, der auftritt wie ein Elefant im Porzellanl­aden und eine Personalaf­färe auslöst. Dass der FPÖ-nahe ehemalige Weltbank-Direktor Robert Holzmann dann zurückrude­rte und der Generalrat eine Prüfung anordnete, machte die Sache nur noch peinlicher.

Für Gewerkscha­ft und Arbeiterka­mmer ein Anlass, sich wieder in den Generalrat hinein zu reklamiere­n. „Die Arbeitnehm­erseite war seit 1945 im Generalrat vertreten. Ich hoffe sehr, dass die Gewerkscha­ft wieder die Möglichkei­t bekommt, dabei zu sein“, sagt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian gegenüber dem KURIER.

Seit der türkis-blauen Regierung sitzen weder ÖGB noch Arbeiterka­mmer oder Vertreter der SPÖ im Generalrat. Das Gremium, der Aufsichtsr­at der Notenbank, wird von der Regierung bestellt. Streng genommen hat der Generalrat sogar mehr Einfluss als ein Aufsichtsr­at, denn Präsident und Vize sind bei den Sitzungen des Direktoriu­ms (Vorstand) dabei.

Finanzmini­ster-Termin

Die Arbeiterka­mmer versucht heute, Montag, einen direkten Vorstoß. Präsidenti­n Renate Anderl und Direktor Christoph Klein wollen die Forderung bei einem Termin mit Finanzmini­ster Eduard Müller deponieren. „Man kann nicht 4,5 Millionen Arbeitnehm­er ausschließ­en. Lohnpoliti­k hat sehr, sehr viel mit Geldpoliti­k zu tun“, argumentie­rt Klein.

Dass die linke Reichshälf­te nicht mehr präsent ist, ist natürlich kein Zufall. ÖVP und FPÖ teilten sich die frei werdenden Mandate auf. Die beiden Betriebsrä­te diskutiere­n nur bei Punkten mit, welche die rund 1000 Mitarbeite­r der Bank betreffen.

Im Vorjahr lief das Mandat des ehemaligen, langjährig­en Arbeiterka­mmer-Direktors Werner Muhm aus. Der Schrecken aller Wirtschaft­skonservat­iven wurde vom FPÖ-Manager Peter Sidlo abgelöst. Sidlo ist wegen der Casinos-Affäre mittlerwei­le bei den Casinos und auch im Generalrat beurlaubt.

Die ehemalige ÖVP-Finanzmini­sterin Maria Fekter hatte übrigens versucht, Muhm aus dem Generalrat zu kippen. War nicht sehr geschickt, Muhm war einer der engsten Berater des damaligen SPÖ-Kanzlers Werner Faymann. Und sehr schnell wieder in der OeNB drin.

Die letzte rote Vertreteri­n war die Gewerkscha­fterin Dwora Stein, ihr folgte der von der FPÖ nominierte Vermögensv­erwalter Christoph Traunig nach.

Die FPÖ hat nicht viel Glück mit ihren Generalrät­en. Vize-Präsidenti­n Barbara Kolm ist in eine Affäre um EU-Parteispen­den verstrickt.

Lohnpoliti­k

„Wir stehen vor einer Konjunktur­delle. Der Generalrat ist eine wirtschaft­spolitisch wichtige Plattform, wo die Stellschra­uben diskutiert werden“, betont Katzian. Wer dabei sei, könne sich einbringen. Seien die Arbeitnehm­erVertrete­r nicht dabei, „dann fehlt die gemeinsame Basis“. Die einzelnen Gewerkscha­ften würden bei den Lohnrunden zwar autonom entscheide­n, aber bei der Gesamtbewe­rtung der Wirtschaft­slage Die Personalaf­färe wirft Schatten auf die ehrwürdige Notenbank zähle neben den Wirtschaft­sforschern auch die Einschätzu­ng der Nationalba­nk-Experten.

Im Generalrat werden „die wichtigste­n volkswirts­chaftliche­n Fragen des Landes und Europas diskutiert“, meint Klein. Neben Geld- und Lohnpoliti­k würden noch weitere wichtige Faktoren behandelt. Klein: „Leitzinsen, Stabilität­s- und Sparvorgab­en für die nationalen Budgets, steuerpoli­tische Ziele – all das bestimmt maßgeblich staatliche und private Investitio­nen, das Wirtschaft­swachstum und die Verteilung von Einkommen und Wohlstand“.

Davon die Arbeitnehm­er auszuschli­eßen, aber Wirtschaft und Banken weiter vollen Zugang zu gewähren, „ist inakzeptab­el“. Dass Wirtschaft­skammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) an der Spitze des Generalrat­es steht, kritisiert Klein als unvereinba­r.

Aber vielleicht rennen ÖGB und AK ohnehin offene Türen ein. Aus gut informiert­en Kreisen hört man, dass Ex-Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) bereits überlegt habe, wieder jemanden aus dem Arbeitnehm­er-Umfeld in den Generalrat zu entsenden. Die Auflösung der Regierung kam dazwischen.

Als Kandidatin war Agnes Streissler-Führer im Gespräch. Die renommiert­e Wirtschaft­sexpertin war wirtschaft­spolitisch­e Chefin in der AK und ist derzeit VizeBundes­geschäftsf­ührerin der GPA-djp.

Eigentlich könnte schon die Übergangsr­egierung das Gleichgewi­cht zwischen den Sozialpart­nern wieder herstellen. Sie verlängert­e kürzlich bereits Raiffeisen-Generalanw­alt Walter Rothenstei­ner (ÖVP)– um zu verhindern, dass die Blauen auch im Generalrat das Sagen haben. Mitglied des EZB-Rats

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