Kurier

Ein filmreifer Abschied

Das Kultlokal Raymond’s sperrt zu. Der Wirt will so gegen die neuen Raucherreg­elung protestier­en Bis zu 10.000 Euro Strafe, wenn Gäste weiter rauchen

- VON RAFFAELA LINDORFER UND CHRISTOPH SCHWARZ

Im Dezember wird im Raymond’s noch einmal leidenscha­ftlich geraucht. Und das trotz des allgemeine­n Rauchverbo­ts in der Gastronomi­e, das dann bereits seit einem Monat in Kraft sein wird.

Der Grund: Eine Filmcrew hat sich für Dreharbeit­en in dem Lokal in der Stumpergas­se im 6. Bezirk angesagt. Der Film spielt in den 80er-Jahren, und da wurde in Lokalen eben noch kräftig geraucht. (Für ein Filmprojek­t ist das auch im Dezember noch erlaubt.)

Das Lokal selbst wird im Dezember längst geschlosse­n sein. Denn Eigentümer Markus Alzinger hat vor wenigen Tagen das vorläufige Aus des beliebten Lokals angekündig­t. Medienwirk­sam.

Alzinger mag die große Geste – und hat an der Tür einen A4-Zettel angebracht, mit dem er es in die Zeitungen geschafft hat: Er werde das Lokal schließen, steht da zu lesen, „bis die Regierung eine für uns Wirte akzeptable Lösung gefunden hat“.

Der Lokalbetre­iber hadert mit der Raucherreg­elung: Er sehe nicht ein, sagt Alzinger zum KURIER, dass er als Wirt für die Lärmbeläst­igung, die rauchende Gäste vor der Lokaltür verursache­n, zur Kassa gebeten wird (s. Artikel rechts). „Wenn jemand auf der Autobahn 180 km/h fährt, zahlt ja auch nicht die Asfinag die Strafe.“Zudem könne er – selbst Raucher – nicht akzeptiere­n, „dass ich in meinem Eigentumsl­okal nicht mehr rauchen darf“.

Er fordert eine „vernünftig­e Ausnahmere­gelung“für Nachtlokal­e, wie es sie in anderen Ländern gebe. Wenn es dazu komme, werde er wieder öffnen. „Ich hoffe auf die neue Regierung. Die Übergangsr­egierung war unfähig.“

Eine Institutio­n

Egal, wie man zum Gesetz steht: Mit dem Raymond’s schließt ein Kultbeisl. An den Wänden hängen zahlreiche Bilder, das Mobiliar hat eine angemessen­e Patina – und überhaupt erinnert hier alles ein bisschen an ein Pub.

Die Musik? Gerade laut genug, um das eigene Lieblingsl­ied wiederzuer­kennen. Das Licht? Gerade hell genug, um sich zu orientiere­n; aber nicht so hell, dass man sich genieren müsste, wenn es doch ein Bier mehr wurde. Die Speisekart­e ist klein – Schinken-Käse-Toast (mit Ketchup und Mayonnaise) und Oliven (mit Anchovis, Zitrone oder Chili). „Vor dem Hinaustret­en sind die Kleider zu ordnen“, steht auf einem Schild in der Toilette.

All das ist schon seit Jahren so – seit der Zeit, als sein erster Besitzer Raimund (daher der Name!) das Lokal in den 1990er-Jahren eröffnete. „Als ich vor zehn Jahren zum letzten Mal aus der Türe raus bin, hat alles so ausgesehen wie heute“, erzählt Bernhard Junger. Der 57-Jährige war lange Stammgast – und ist an diesem Abend erstmals wieder hier. Für das Rauchverbo­t hat zumindest er Verständni­s: „Ich bin froh, dass das Hin und Her ein Ende hat.“Auch anderswo könne man längst nur noch vor der Türe rauchen. „Das ist kein Problem.“

Die Raymond’s-Betreiber sehen das anders: „Wir hatten immer ein gutes Verhältnis zu den Anrainern. Das könnten wir für die Zukunft nicht garantiere­n“, sagt Chefin Birgit Alzinger. Fast alle Gäste seien Raucher. „Viele kommen, weil sie eine Zigarette und ein Bier wollen, bevor sie heimgehen. Stellen Sie sich vor, was los ist, wenn die vor der Tür stehen.“

Das Lokal schließt im November, das Personal wurde gekündigt. Ein neuer Pächter, sagt Alzinger, werde erst gesucht, wenn man sich sicher sei, nicht wieder zu öffnen. Stammgast Bernhard Junger glaubt das nicht: „Das Geschäft läuft viel zu gut, um das Lokal aufzugeben.“ Ab 1. November. Zwei Wochen lang darf in der Gastronomi­e noch geraucht werden, ab 1. November tritt das neue Raucherges­etz in Kraft. Das Wiener Marktamt wird ein strenges Auge auf die Einhaltung haben. Betreibern, die Gäste dann noch rauchen lassen, drohen hohe Geldstrafe­n: Beim ersten Verstoß sind 800 Euro fällig, beim zweiten 1.200. Die Höchststra­fe liegt bei 10.000 Euro.

Den bundesweit rund 600 Shisha-Bars bricht mit dem Rauchverbo­t die Geschäftsg­rundlage weg; auch Nachtlokal-Betreiber fürchten, mit Beschwerde­n von Anrainern überschwem­mt zu werden, wenn ihre Gäste nachts vor den Lokalen stehen und rauchen. Beide haben Klagen beim Verfassung­sgerichtsh­of eingebrach­t, eine Entscheidu­ng wird aber frühestens im Dezember erwartet.

Das Rauchverbo­t betrifft aktuell noch 6.000 Betriebe in Wien, viele haben durch das Hin und Her der Regierung bereits freiwillig auf rauchfrei umgestellt.

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Birgit Alzinger, Raymond’s-Chefin, bedient noch bis 1. November ihre Stammgäste. Bis eine neue Regierung eine Lösung findet, ist geschlosse­n
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