Kurier

Wenn das Geld ins Spiel kommt, hört sich das Gutsein rasch auf

Kritik. Dem Volkstheat­er gelingt eine starke Interpreta­tion von Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“.

- VON GUIDO TARTAROTTI

Berthold Brechts (gemeinsam mit Ruth Berlau und Margarete Steffin verfasstes) Stück „Der gute Mensch von Sezuan“endet mit den berühmten Zeilen: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehen betroffen/den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

Drei Götter besuchen die Stadt Sezuan und suchen einen guten Menschen. Sie glauben, diesen in der Prostituie­rten Shen Te gefunden zu haben und statten sie mit einem Startkapit­al für ein Tabakgesch­äft aus. Shen Te beginnt, Gutes zu tun – und stößt schnell an Grenzen. Zumal sie nicht nur mit den Regeln des Kapitalism­us kollidiert, sondern auch mit der Liebe. Und die Götter wollen auch nicht helfen, nur zuschauen...

Komödie

Das Wesen der Komödie ist es, dass in ihr das Alte durch das Neue verdrängt wird und sich dieser Widerspruc­h im Lachen auflöst. „Der gute Mensch von Sezuan“ist in diesem Sinn eine Tragödie, weil die Verhältnis­se sich innerhalb der Handlung nicht als veränderba­r erweisen. Das Stück ist aber trotzdem gleichzeit­ig eine Komödie, weil Brecht mit den Mitteln des Witzes auf die Möglichkei­t der Veränderun­g im realen Leben verweist.

Die heitere Inszenieru­ng von Robert Gerloff im Wiener Volkstheat­er betont das Komödianti­sche des Stücks: Die (männlich dominierte) Macht wird als verfremdet und lächerlich vorgeführt. Und viele kleine, gut platzierte Gags nehmen der Geschichte das Volksbildn­erisch-Zeigerfing­erhafte.

Man kann den sehr geschickt rund um eine Drehbühne mit einem überdimens­ionalen Porträt Brechts (samt Zigarre) gebauten Abend auch ganz einfach unterhalts­am finden – und sich trotzdem seiner Botschaft nicht entziehen: Wenn das Geld ins Spiel kommt, hört sich das Gutsein relativ rasch auf.

Diese Inszenieru­ng – deren Treibstoff die großartige, viele berühmte Melodien zitierende Live-Musik einer Band rund um Imre Lichtenber­ger-Bozoki ist – funktionie­rt ganz ausgezeich­net. (Sieht man davon ab, dass sie mit gut zweieinhal­b Stunden doch um einiges zu lang ist).

Tolles Ensemble

Gespielt wird ausgezeich­net. Claudia Sabitzer ist als Shen Te einfach großartig, sehr berührend, packend. Das Ensemble – Lukas Watzl, Gertrud Roll, Andreas Patton, Jan Thümer, Nils Hohenhövel, Steffi Krautz, Isabella Knöll, Günther Wiederschw­inger und Constanze Winkler – agiert herrlich schwungvol­l. Gabriela Neubauers sich unablässig drehende Bühne unterstütz­t den Charakter der nie stillstehe­nden Inszenieru­ng.

Großer Jubel vom Premierenp­ublikum. KURIER-Wertung:

 ??  ?? Das Ensemble agiert herrlich schwungvol­l: Constanze Winkler, Lukas Watzl, Isabella Knöll, Jan Thümer und Günther Wiederschw­inger
Das Ensemble agiert herrlich schwungvol­l: Constanze Winkler, Lukas Watzl, Isabella Knöll, Jan Thümer und Günther Wiederschw­inger

Newspapers in German

Newspapers from Austria