Ein Medikament für nur eine Patientin
Therapie nach Maß. Die medizinische Errungenschaft der Forscher ist nicht unumstritten
Die ersten Symptome hatte Mila bereits im Alter von drei Jahren. Wenige Jahre später war das Mädchen erblindet, konnte nicht mehr schlucken und sprechen. Das Gehen gelang nur mehr mit Hilfe, den Kopf konnte sie kaum noch aufrecht halten. Mila erlitt täglich bis zu 30 epileptische Anfälle und musste über eine Magensonde ernährt werden. 2016 diagnostizierten die Ärzte am Boston Children's Hospital bei dem Kind aus Longmont, Colorado, eine angeborene schnell fortschreitende und sehr seltene neurodegenerative Erkrankung: das Batten-Syndrom, das normalerweise zum Tod führt. Heute ist Mila acht Jahre alt, ihr Zustand dank eines neuen Medikaments stabil.
Im New England Journal of Medicine berichteten die mit ihrem Fall betrauten Ärzte nun über den medizinischen Durchbruch. Dieser hat paradoxerweise auch einen Haken: Denn das Präparat namens Milasan wurde einzig und allein für Mila designt. Anfang des vergangenen Jahres erteilte die US-Arzneimittelbehörde FDA nach klinischen Tests mit Mila als einziger Probandin die Erlaubnis, das Medikament zu verabreichen. Finanziert wurden die Forschungen mittels Crowdfunding und einer Stiftung namens „Mila’s Miracle Foundation“. Über drei Millionen US-Dollar an Spenden kamen laut New York Times zusammen, das sind umgerechnet über 2,7 Millionen Euro. Eine Schwarmfinanzierung, wie im Fall von Mila, scheint als Modell für die Behandlung sehr seltener Erkrankungen wenig aussichtsreich. Vielmehr steht eine Therapie nach Maß nur sehr vermögenden Menschen offen.
Dass Milas extrem personalisierte Medikation auch wissenschaftliche und ethische Fragen aufwirft, weist die FDA nicht von der Hand. In einem mit dem Fallbericht erschienenen Kommentar weist man darauf hin, dass unter anderem die Sicherheit für Patienten bei klinischen Studien mit nur einer Probandin nicht gewährleistet sei. Eine weitere Herausforderung: Zwar leiden weltweit noch weitere Kinder am Batten-Syndrom, bei Mila ist jedoch eine – bisher nur bei ihr dokumentierte – genetische Mutation Ursache der Störung. Ob das Medikament für andere Kinder abgewandelt werden kann, ist unklar.
Milasan wird Mila nicht heilen können. Das Fortschreiten der Krankheit scheint aber vorerst gestoppt. Das Präparat bleibt unterdessen eine medizinische Errungenschaft, deren Potenzial und Probleme es in Zukunft zu diskutieren gilt.