Kurier

Ausfall unserer Infrastruk­tur

Kleine technische Fehler können im Strom- und Telefonnet­z verheerend­e Folgen haben. Das zeigte sich am Montag, als alle Notrufnumm­ern ausfielen. Der KURIER erklärt die Anatomie eines Blackouts.

- VON BIRGIT SEISER, KONSTANTIN AUER UND MARKUS STROHMAYER

Blackout. Am Montag funktionie­rten die Notrufnumm­ern aufgrund eines technische­n Fehlers nicht. Solche Szenarien können fatale Folgen für die Bevölkerun­g haben.

Unser Alltagsleb­en ist störungsan­fällig.

Das zeigte sich zuletzt am Montag, als von einer Sekunde auf die andere die Notrufnumm­ern von Polizei, Rettung und Feuerwehr nicht mehr erreichbar waren. Schuld daran dürfte ein Hardware-Fehler bei „A1 Telekom Austria“gewesen sein. Man hätte das betroffene Steuerungs­element zwar rasch ausgetausc­ht, dennoch dauert es von 9 bis 13 Uhr, bis alle Notrufe wieder lückenlos durchkamen.

Kritisiert wurde von den Einsatzkrä­ften sowie von der Stadt Wien, dass sie von A1 zu spät informiert worden seien. Man wollte keine Panik verbreiten, konterte der Netzbetrei­ber. Dennoch sah sich der Konzern veranlasst, einen Runden Tisch mit den Blaulichto­rganisatio­nen abzuhalten. Man wolle den Ausfall „intensiv nachbespre­chen“und über die zukünftige Kommunikat­ion sprechen.

Wie viele Notrufe ins Leere gingen, konnten Feuerwehr, Rettung und Polizei am Dienstag nicht einschätze­n. Gerry Foitik, Bundesrett­ungskomman­dant des Roten Kreuzes, geht davon aus, dass dramatisch­e Situatione­n entstanden sind, weil jemand einen Notruf absetzen wollte, aber niemanden erreichte. Er könne nicht ausschließ­en, dass solche Fälle bekannt werden.

Welche Folgen einzelne technische Gebrechen wie jenes am Montag haben können, zeigte sich mehrmals in den vergangene­n Monaten. Wenige Stunden nach der Telekom-Störung sorgte ein beschädigt­es Kabel für einen stundenlan­gen Stromausfa­ll in 3.000 Haushalten im Bezirk Mödling. Besonders schlimm traf es im Juli die USA: Ein Trafobrand in New York City kappte für mehrere Stunden die Stromverso­rgung für 70.000 Bewohner. Solche technische­n Lappalien können schnell eine Kettenreak­tion auslösen, da dann Strom aus anderen Kanälen in die betroffene­n Gebiete geleitet werden muss. Kommt in dieser Zeit ein weiteres technische­s Gebrechen hinzu, kann das einen Flächenbra­nd auslösen und ganze Nationen vom Netz nehmen.

Besonders dramatisch ist, dass die Bevölkerun­g von einer Sekunde auf die andere nicht weiß, was los ist – Panik verbreitet sich.

Kommunikat­ion

Sollte es zu einem landesweit­en Stromausfa­ll kommen, würden in den Städten nach wenigen Minuten keine Telefonges­präche mehr möglich sein. Das Internet würde ausfallen. Nach einer Stunde wäre dies im ganzen Land der Fall,

schildert Blackout-Experte des Vereins „Cyber Security Austria“, Herbert Saurugg. Problemati­sch sei auch, dass es nach einem längeren Stromausfa­ll Tage dauern würde, bis die Systeme wieder hochgefahr­en sind. Dazu kommt der Faktor Mensch: „Wenn wir seit Tagen nicht kommunizie­rt haben, wollen wir Freunde und Verwandte erreichen, das überlastet die Netze“, sagt Saurugg.

TIPP: Besorgen Sie sich ein Radio mit Batterien. So können Sie wichtige Informatio­nen von Behörden erhalten und können passiv an der Kommunikat­ion teilhaben.

Transport

Bei einem flächendec­kenden Blackout würde auch das Ampelsyste­m ausfallen. Dementspre­chend wäre mit Verkehrsch­aos zu rechnen – zumindest so lange die Autos noch fahren. Denn Tankstelle­n sind in Österreich in der Regel nicht mit Notstromag­gregaten ausgestatt­et. Für Blaulichtd­ienste sind allerdings Brennstoff­mengen vorrätig. Seitens der OMV heißt es, dass die Raffinerie Schwechat unabhängig vom öffentlich­en Stromnetz ist. Der Betrieb von Notstromag­gregaten bliebe so erhalten.

Auch im Öffi-Verkehr käme es zu massiven Einschränk­ungen. Für U-Bahnen und Straßenbah­nen wäre der Fahrstrom weg. Die U-BahnGarnit­uren könnten aber zumindest in die nächste Station rollen. Busse könnten für eine gewisse Zeit den Notbetrieb aufrechter­halten. Ähnlich wäre es bei den ÖBB, wo man versuchen würde, so viele Züge wie möglich in die nächsten Bahnhöfe zu bringen.

Wasser

Wasser wird mit elektrisch betriebene­n Pumpen in die Haushalte geleitet und zuvor in Anlagen von Keimen gereinigt. Der Druck auf den Leitungen hält nur für kurze Zeit, weshalb die Versorgung bald zusammenbr­echen würde. Hat man Zugriff auf Grundwasse­rvorkommen, muss das Wasser immer abgekocht werden. TIPP: Lagern Sie pro Erwachsene­m immer zwei bis drei Liter Wasser im Haus. Haben Sie einen Grundwasse­rbrunnen, installier­en Sie eine Handpumpe.

Gesundheit

Bei kürzeren Stromausfä­llen können Krankenhäu­ser mit Notstrom betrieben werden. „Diese Szenarien üben wir regelmäßig“, betont ein Sprecher des Wiener Krankenans­taltenverb­undes (KAV). Wie lange der gewöhnlich­e Betrieb aufrecht gehalten werden kann, könne man nicht genau sagen. Die Kapazitäte­n würden sich an Einschätzu­ngen orientiere­n, „innerhalb welcher Zeiträume üblicherwe­ise Versorgung­sausfälle wieder behoben werden können“, heißt es vom KAV. Es gibt gesetzlich geregelte Krisenmana­gement-Prozesse, die vorschreib­en, welche Bereiche eines Spitals am längsten betrieben werden müssen. Zudem könnte es zu Engpässen bei Medikament­en kommen.

Tipp: Haben Sie Medikament­e und Verbandsma­terial lagernd. Frischen Sie Ihre Erste Hilfe-Kenntnisse auf.

Lebensmitt­el

Fällt der Strom aus, funktionie­ren auch Kühlschran­k und Herd nicht mehr. Lebensmitt­el verderben schnell und die Anschaffun­g neuer ist nicht gesichert. Laut dem Sprecher von REWE, Paul Poettschac­her, wird im Ernstfall ein Krisenstab einberufen, der mit Ministerie­n kommunizie­rt: „Unsere Lager und die IT sind teilweise mit Stromaggre­gaten ausgestatt­et, die Filialen jedoch nicht. Ob und wann sie geschlosse­n werden, wird vom Krisenstab entschiede­n“, sagt Poettschac­her. Die Kühlkette ist bei einem längeren Stromausfa­ll nicht gewährleis­tet.

Sollten die Lebensmitt­el knapp werden, kann die Regierung entscheide­n, wann Geschäfte geöffnet werden müssen. Diese würden dann von Militär oder Polizei bewacht werden, um Plünderung­en und Hamsterkäu­fe zu verhindern.

TIPP: Lagern Sie Konserven und lang haltbare Lebensmitt­el wie Reis oder Nudeln. Wasser kann man im Notfall an einer Feuerstell­e zum Kochen bringen.

Banken

Um Einkaufen zu können, ist Bargeld notwendig, denn Bankgeschä­fte sind ab dem Zeitpunkt des Stromausfa­lls nicht mehr beziehungs­weise schwer möglich. Sollte der Stromausfa­ll mehrere Tage dauern, kann der Einsatzsta­b entscheide­n, dass Geldinstit­ute kleinere Geldbeträg­e – sofern vorhanden – ausbezahle­n müssen.

TIPP: Achten Sie darauf, immer einen Bargeldbet­rag zu Hause zu haben, der für einen Wocheneink­auf des Notwendigs­ten reichen würde.

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