Kurier

Kogler: „Nicht nur fürchten, auch Chancen sehen“

Taktik. Grünen-Chef kontert Kritik an „linken Fundis“– und holt bewusst Wiener Chefin für Sondierung­en mit ÖVP ins Team

- RAFFAELA LINDORFER

Kogler präsentier­te am Dienstag sein Team für die Sondierung­en Das Team, das Werner Kogler für die Sondierung­sgespräche mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz am Freitag zusammenge­stellt hat, ist als Statement zu verstehen – besonders in Hinblick auf eine Person: Birgit Hebein.

Als „Sollbruchs­telle“zwischen Türkis und Grün, als Vertreteri­n der „linken FundiTrupp­e“und gar als „KurzHasser­in“wird die Chefin der Wiener Grünen sofort in sozialen Medien bezeichnet.

Kogler hat mit diesen Reaktionen gerechnet. Indem er sie ins Team holt, will der Parteichef jenen widersprec­hen, die meinen, der als „besonders links“punzierte Wiener Flügel arbeite nicht im Einklang mit der Bundespart­ei, erklärte er am Dienstag vor Journalist­en. Nachsatz: „Das Gegenteil ist der Fall.“

Den Wiener Grünen haftet seit den gescheiter­ten Koalitions­verhandlun­gen mit der Schüssel-ÖVP im Jahr 2003 (ob zu recht oder zu unrecht, ist Ansichtssa­che) das linke Blockierer-Image an. Zuletzt gaben sie sich Mühe, nicht aus der Reihe zu tanzen. Im Juni meinte Hebein noch, für eine Koalition zwischen ÖVP und Grünen „fehlt ihr die Fantasie“. Seit dem Wahlabend hält sie sich an das Wording: 1. Ein Mitte-Rechts-Kurs, wie Kurz ihn mit der FPÖ fuhr, geht nicht mit den Grünen; 2. Kurz muss sich bewegen/drehen/ändern; 3. Ja, wir wollen ernsthafte Gespräche.

Intern ist man jedenfalls hochnervös. Journalist­en, die bei den Wienern „Fundis“oder „Linke“verorten, erhalten am nächsten Tag empörte Anrufe. Und Sigi Maurer, für die ÖVP ein rotes Tuch, erklärte jüngst in einem Interview, sie sei „eigentlich eine Nette“.

Die Wiener Grünen-Chefin ins Team zu holen, ist auch ein interner taktischer Zug: Hebein wäre mitverantw­ortlich, ob die Gespräche gelingen oder scheitern. Beides müsste sie dann ihren Funktionär­en erklären. Zudem braucht es, um nach Sondierung­en in konkrete Regierungs­verhandlun­gen einzutrete­n, das Okay des erweiterte­n Bundesvors­tands – ohne Wien, die größte Landesgrup­pe, geht es nicht.

Bei den Sondierung­en sollen inhaltlich erste Pflöcke eingeschla­gen werden. Hebein ist Sozialexpe­rtin und vertritt klar linke Positionen, mit denen sich die ÖVP wohl schwer tun wird.

Mit Leonore Gewessler, frühere Chefin von Global 2000, sitzt zwar eine politisch unerfahren­e Quereinste­igerin, dafür eine ausgewiese­ne Klimaspezi­alistin mit am Tisch. An ihr kommen die Türkisen nicht vorbei.

Rudi Anschober ist Regierungs­routinier – der Oberösterr­eicher war 2003 der erste Grüne, der mit einer Landes-ÖVP eine Koalition bildete. Er bedient das Integratio­nsbzw. Asylthema.

Alma Zadic wechselte von der Liste Jetzt (Pilz) zu den Grünen und saß im BVTU-Ausschuss. Als Anwältin ist sie zudem in Verhandlun­gstechnik geschult und arbeitete in einer Schlichtun­gsstelle.

Josef Meichenits­ch, der sechste im Bunde, ist Budgetexpe­rte und war in der Finanzmark­taufsicht tätig.

Kogler ist sich der „enormen Unterschie­de“zwischen Grün und Türkis bewusst, will aber „positiv“in die Sondierung­en gehen. Sein Appell: „Man soll sich nicht immer nur fürchten, sondern auch Chancen sehen.“

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