Kurier

Erdoğans Politik: „Nicht anderes als Faschismus“

Einmarsch in Nordsyrien. Ex-Grün-Mandatarin Berivan Aslan fordert EU-Sanktionen gegen Ankara

- WALTER FRIEDL

Wenn es um die Verteidigu­ng der Kurden ging, nahm sich die ehemalige österreich­ische Grün-Abgeordnet­e Berivan Aslan nie ein Blatt vor den Mund. Anfeindung­en waren die Folge, immer wieder erhielt sie Staatsschu­tz. Einschücht­ern ließ sie sich nie, auch jetzt nicht. Nach dem Angriff der Türkei auf die nordsyrisc­hen Kurden äußerte sie auf ihrer Facebook-Seite den Verdacht von Kriegsverb­rechen. „Jetzt ist die Seite seit Sonntag ,weg‘, gehackt offenbar von der Türkei aus, die Sprache wurde auf Arabisch geändert, meine Beiträge wurden gelöscht“, so die 38-Jährige.

Doch sie bleibt bei ihrer Kritik: „(Der türkische Präsident) Erdoğan kriminalis­iert ein ganzes Volk, die Kurden eben. Das ist nichts anderes als Faschismus“, sagt Berivan Aslan im KURIER-Gespräch am Dienstag, „seine Politik in Nordsyrien zielt auf ethnische Säuberunge­n ab.“Das Argument des Staatschef­s, eine Pufferzone zu „Terror-Banden“schaffen zu müssen, sei vollkommen unglaubwür­dig, betont die Ex-Mandatarin, die jetzt an der WU in Wien Assistenti­n für Wirtschaft­sstrafrech­t ist: „Als der IS in Kobane war, also direkt an der türkischen Grenze, war das für Erdoğan kein Problem.“

Der „völkerrech­tswidrige Angriffskr­ieg“der Türkei sei keinesfall­s mit Selbstvert­eidigung zu rechtferti­gen, zumal es nie grenzüberg­reifende Attacken der nordsyrisc­hen Kurden gegeben habe. Die Motive

seien vor allem innenpolit­ische: „Die Wirtschaft­slage ist schlecht, die CHP-Opposition hat fast alle großen Städte erobert, und auch innerhalb der AK-Regierungs­partei bröselt es. Doch mit nationalis­tischen Tönen und einem militärisc­hen Vorgehen gegen die Kurden kann man in der Türkei immer punkten.“

Von der Haltung der EU ist Berivan Aslan, die mit ihren Eltern im Alter von vier Jahren nach Tirol kam, enttäuscht. „Schon im Fall Afrin (begrenzter türkischer Vorstoß gegen die Kurden im Vorjahr) hat die EU nur zugeschaut, und Erdoğan hat sie zum Kniefall gezwungen. Mit der verfehlten Flüchtling­spolitik, in der sich die Mitgliedss­taaten nie auf eine gemeinsame Strategie einigen konnten, hat sich Brüssel in Erdoğans Sackgasse begeben.“

Einzig und allein Wirtschaft­ssanktione­n könnten die Türkei jetzt noch stoppen. Langfristi­g müsse für die nordsyrisc­hen Kurden eine politische Lösung her, fordert die Juristin. Dabei schwebt ihr eine Autonomier­egelung vor, wie sie die Südtiroler haben.

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Facebook-Seite von Berivan Aslan wurde von der Türkei aus gehackt

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