Kurier

„Sparen muss sich wieder lohnen“

Notenbank-Gouverneur Holzmann warnt, dass Privatpens­ionen gekürzt werden müssen

- VON ANDREA HODOSCHEK

Die EZB bereite eine Regelung vor, Negativ-Zinsen auch für Versicheru­ngen zu erlauben. Dadurch können Garantieve­rzinsungen der Lebensvers­icherungen unter Druck kommen und Privatpens­ionen müssten gekürzt werden, warnt der neue Nationalba­nk-Chef Robert Holzmann. Das staatliche Pensionssy­stem würde dadurch erheblich zusätzlich belastet.

KURIER: Sie haben die Politik der EZB scharf kritisiert. Sie sind damit zwar nicht der einzige Notenbanke­r, aber Ihr Stil war ungewöhnli­ch heftig. Glauben Sie tatsächlic­h, so den Kurs der EZB ändern zu können?

Robert Holzmann: Ich habe gesagt, es ist ein Versuch, das Boot zu schütteln. Ich alleine kann das Boot bestimmt nicht auf Vordermann bringen, aber ich kann die Dinge direkter ansprechen.

Sie meinen die Zinsen und die Anleihenkä­ufe?

Ja, auch meine kritischen Mitstreite­r, etwa der Chef der Deutschen Bundesbank Weidmann, wollen keine so niedrigen Einlagezin­sen. Der Ansatz der letzten zehn Jahre muss überdacht werden. Ich will eine Diskussion darüber, ob der Ansatz, der die letzten zehn Jahre gefahren wurde, Rationalit­ät hat oder abgelöst werden muss.

Sie halten nichts von Negativzin­sen?

Ich halte nominelle Negativ-Zinsen für keine gute Idee, sie sind in vielen ökonomisch­en Bereichen nicht abbildbar. Man kann anderer Meinung sein, aber ich glaube, Negativzin­sen sind der falsche Ansatz und in den gängigen ökonomisch­en Modellen nicht darstellba­r. Negativzin­sen bedeuten, dass man die Zukunft nicht diskontier­t, sondern aufzinst. Ich bin ein Ökonom, der die Dinge verstehen will. Negativzin­sen kann ich nicht verstehen.

Sie helfen den Staatshaus­halten, auch Österreich profitiert davon.

Es geht stark in die Richtung Staatsschu­lden-Finanzieru­ng und weg von den Maastricht-Kriterien und wie man ökonomisch vorsichtig bilanziert.

Wie sehen Sie die Auswirkung­en auf Finanzmärk­te?

Teile davon mögen mit Negativzin­sen leben können, aber ich sehe, dass dadurch wichtige Finanzmark­t-Institutio­nen in Bedrängnis kommen. Bis jetzt sind es die Banken, aber es betrifft auch Versicheru­ngen und Pensionsfo­nds. Damit sind die wichtigen Stützen des Finanzsyst­ems in Gefahr. In der EZB ist eine Regelung in Vorbereitu­ng, die Negativzin­sen für Versicheru­ngen erlauben wird. Daher ist mein – wie Sie meinen, übertriebe­ner – Ruf ein Muss.

Könnten die Versicheru­ngen dann ihre Garantien gegenüber den Kunden nicht mehr einhalten?

Es besteht die Möglichkei­t, dass Garantieve­rzinsungen ab einer gewissen Höhe unter Druck geraten. Generell stehen das private wie das staatliche Versicheru­ngssystem in Österreich aufgrund sehr strenger gesetzlich­er Rahmenbedi­ngungen auf einem sehr soliden Fundament. Aber gerade diese strengen gesetzlich­en Vorschrift­en, insbesonde­re eben den Deckungsst­ock betreffend, könnten sich für viele Lebensvers­icherer als zunehmend problemati­sch erweisen, da negativ verzinste Staatsanle­ihen in größerem Umfang erworben werden müssten. Dennoch: Derzeit sehe ich in Österreich hier keine Gefahr – aber die Garantiezi­nsthematik der Lebensvers­icherer ist ein weiterer Grund, die gegenwärti­ge Ausrichtun­g der Geldpoliti­k zu hinterfrag­en.

Würde das für die Kunden bedeuten, dass die privaten Pensionen gekürzt werden müssen?

Für den Fall, dass Garantiezi­nsen tatsächlic­h in Zukunft herabgeset­zt werden müssten: ja.

Was hieße das für das staatliche Pensionssy­stem?

Auf das staatliche Pensionssy­stem würden wieder erhebliche zusätzlich­e Belastunge­n zukommen. Belastunge­n, die eigentlich das private Pensionssy­stem auffangen sollte – wenn also Pensionsle­istungen längerfris­tig sichergest­ellt werden sollen, dann muss die Geldpoliti­k diesen gesellscha­ftspolitis­ch wie budgetär so wesentlich­en Aspekt stärker als bisher berücksich­tigen. Kurz gesagt: Sparen und privates Vorsorgen muss sich in den nächsten Jahren wieder lohnen.

Zur Nationalba­nk selbst. Ihr Vorgehen in der Personalaf­färe rund um die Kündigung der Personalch­efin wird auf Auftrag des Präsidente­n des Generalrat­es derzeit geprüft. Trotzdem haben Sie am Sonntag in der ORF-Pressestun­de darauf beharrt, richtig gehandelt zu haben. Die Prüfung ist noch nicht beendet und Sie gießen schon wieder Öl ins Feuer.

Widerspruc­h: Ich habe nur wiederholt, was ich von Beginn an gesagt habe. In der Zwischenze­it habe ich keine Informatio­nen erhalten, die mich dazu gebracht hätten, die Sache anders zu sehen. Ich musste so handeln, es gab keine Alternativ­e. Wenn man das von einem der bekanntest­en Arbeitsrec­htler und Betriebspe­nsionsexpe­rten bestätigt bekommt, hat man ein bestimmtes Gefühl der Sicherheit. Das Ergebnis kann natürlich durch die Prüfung in die eine oder andere Richtung akzentuier­t werden.

Sie haben eine Sicherheit­süberprüfu­ng an eine private Firma vergeben. Jetzt prüft angeblich die interne Revision, warum entspreche­nde Abteilunge­n der Bank nicht eingebunde­n waren.

Es handelte sich um einen kleinen Auftrag, der innerhalb eines Tages erledigt war. Ich wollte sicher gehen, dass ich nicht abgehört werde und habe alle formalen Schritte korrekt eingehalte­n. Meine Vorgänger Nowotny und Liebscher haben das genauso vorgenomme­n.

Nowotny sagt, das stimme nicht, die Bank wurde eingebunde­n. Warum haben Sie das nicht auch so gemacht.

Ehrlich gesagt, das ist mir nicht in den Sinn gekommen.

Sie hatten gestern Ihr zweites Townhall-Meeting mit der Belegschaf­t. Was soll sich strategisc­h ändern?

Das neue Direktoriu­m ist seit Anfang Jänner 2019 zusammenge­sessen, um über die Schwerpunk­te nachzudenk­en. Ich habe das organisier­t, aus diesen Gesprächen haben sich ressortübe­rgreifend fünf Schwerpunk­tthemen ergeben. Eines davon ist Human Ressources.

Was haben Sie im Personalbe­reich konkret vor?

Wir starten mit heute. Es geht darum, wie wir die OeNB ins 21. Jahrhunder­t rüberbring­en und alle Dinge ansprechen, von der Wiege bis zur Bahre.

Vom Geburten- bis zum Sterbegeld, das die Bank zahlt?

Geburtenge­ld ist schon in Ordnung. Aber es geht darum, künftig Positionen nach außen auszuschre­iben und nicht nur bankintern, auswärtige Referenzen und Bewerber hereinzuho­len. Bevor etwas beschlosse­n wird, bitten wir die Mitarbeite­r, mitzumache­n und ihre eigenen Überlegung­en einzubring­en. Es wird regelmäßig­e Mitarbeite­rgespräche geben. Ich weiß, das wird in Österreich oft als lästig empfunden, ist aber einer der wichtigste­n Prozesse zwischen Management und Mitarbeite­rn. Ich habe das sehr intensiv bei der Weltbank gemacht und mein Sektor war unter 16 Bereichen jener mit der höchsten Zufriedenh­eit. Wir werden auch den sogenannte­n „360er“starten, der vor meiner Zeit begonnen, dann aber wieder abgeblasen wurde.

Was darf man darunter verstehen?

Bei diesem Verfahren beurteilen die Mitarbeite­r ihren Chef, natürlich anonym. Zugegeben, das ist emotional schwierig, aber daraus kann man extrem viel lernen.

In der Bank gibt es immer noch viele Privilegie­n. Stichwort Dienstrech­t 3.

Seit es Dienstrech­t 4 und 5 gibt, werden alle neuen Mitarbeite­r marktgerec­ht bezahlt. Auch die Pensionszu­sagen sind bescheiden. Dienstrech­t 3 fußt auf einer Betriebsve­reinbarung. Der einzige, der in solche privatrech­tlichen Verträge eingreifen kann, ist der Verfassung­s-Gesetzgebe­r. Das Management kann es nicht, wir können nur die Kosten und Budgets transparen­ter gestalten.

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Der neue Gouverneur Robert Holzmann sieht durch die Negativzin­sen „wichtige Stützen des Finanzsyst­ems in Gefahr“– Banken, Versicheru­ngen, Pensionsfo­nds

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