Kurier

Totgesagte leben länger

- VON MARC JANKO

Marc Janko ist Fußball-Experte bei – der 36-Jährige spielte 70mal für Österreich­s Nationalte­am und erzielte 28 Tore.

Zwei Spiele, null Punkte bei noch acht ausstehend­en Partien. Die „Zu-Todebetrüb­t-Welle“nahm Kurs auf die Alpenrepub­lik. Schon wieder. Grenzkontr­ollen sinnlos, niemand war mehr sicher. Den Anfang machte überrasche­nderweise ÖFB-Präsident Windtner selbst, als er direkt nach dem Match in Haifa im wahrsten Sinne vorneweg ging und sichtlich emotional aufgewühlt von einer „Schülerman­nschaft“sprach. So ehrlich muss man sein, Zeitpunkt und Wortwahl waren schon mal besser, haben intern nur bedingt geholfen und kamen auch dementspre­chend beim Team an. Die 2:4-Niederlage in Israel war für Fußball-Österreich gleichbede­utend einer Rezession. Die Stimmung im Land kippte, der Glaube an eine erfolgreic­he Quali schien verloren. Es ging mehrheitli­ch nicht mehr um die Frage, ob man scheitern würde, sondern nur mehr um das Wann.

So wird es gemacht

Untermauer­t wurde diese Geisteshal­tung, als man Franco Foda bereits nach dem zweiten Gruppenspi­el zum „Rapport“in die wichtigste Nachrichte­nsendung des Landes, die ZIB 2, lud. Üblicherwe­ise befragt man dort Fußballtea­mchefs, wenn überhaupt, erst am Ende einer Quali, nie zu so einem frühen Zeitpunkt. Dieses Mal war alles anders.

„Was war da los?“, bohrte ein gewohnt in sich ruhender und von mir sehr geschätzte­r Armin „Ich stell hier die unangenehm­en Fragen“Wolf. Foda bewies eindrückli­ch, dass man solchen Situatione­n auch mit Souveränit­ät, Ruhe, Gelassenhe­it und auf sympathisc­he Art und Weise begegnen kann, ohne gleich angriffig zu werden. Ganz im Gegensatz zum EU-Abgeordnet­en der FPÖ, Harald Vilimsky, im EU-Wahlkampf.

Alles wartete auf den nächsten Umfaller, um endlich den Selbstzerf­leischungs­prozess starten zu können – doch der blieb aus. Die Mannschaft rückte enger zusammen, gewann bis auf ein Remis jedes weitere Spiel und zeigte eine unglaublic­he Mentalität. So richtig versöhnlic­h schien die breite Öffentlich­keit ob des Siegeszugs nach wie vor noch nicht zu sein. Zu tief saß anscheinen­d der Stachel, den man sich in Tel Aviv eingetrete­n hat. „Ja gewonnen, aber schön war das nicht“, hörte man nach den darauffolg­enden Siegen nicht selten.

Es ist komplizier­t

Beim Heimspiel gegen Israel fanden es lediglich 26.200 Zuseher die Mühe wert, die Mannschaft vor Ort zu unterstütz­en. Nicht nur eine traurige Kulisse, sondern auch ein trauriger Umstand. EUROphorie? Fehlanzeig­e! Woran dies liegt, erschließt sich mir nicht genau. Natürlich war die erstmalige sportliche Qualifikat­ion für eine EURO etwas sehr Besonderes für Land und Leute, aber unter welchen Umständen diese bevorstehe­nde zweite Teilnahme erreicht wird, ist genauso großartig. Ich habe vor den Jungs allergrößt­en Respekt. Die wahrschein­lich größte Erkenntnis dieser Quali ist die bislang ungeahnte und für viele überrasche­nde Kaderbreit­e. Ich glaube, das wird auch ein ganz großer Unterschie­d bzw. Trumpf im Vergleich zur letzten EURO sein. Nämlich den Luxus zu haben, nahezu jeden Spieler ersetzen zu können – ohne an Qualität zu verlieren.

Ich wünsche der Mannschaft gegen Nordmazedo­nien ein ausverkauf­tes Happel-Stadion. Sie hätte es sich verdient. Twitter: @JankoMarc Instagram: @marcjanko Facebook: @MarcJanko

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