Kurier

„Menschen erwarten von SP-Politikern mehr Bescheiden­heit als von anderen“

Wien. Die SPÖ will in Wien enttäuscht­e Wähler der FPÖ gewinnen – aber ohne härtere Ausländerp­olitik.

- VON DANIELA KITTNER

Barbara Novak hat eine der schwierigs­ten Aufgaben der Politik-Branche vor sich: Sie muss nach den SPÖ-Niederlage­n auf Bundeseben­e den Wahlkampf der Wiener Sozialdemo­kraten managen.

Frau Novak, welche Lehren ziehen Sie als Wiener SPÖ-Geschäftsf­ührerin aus dem Wahlkampf?

Wir als SPÖ müssen unsere Themen so platzieren, dass man auch darüber redet. Die Grünen haben es im Nationalra­tswahlkamp­f verstanden, das Thema Klimaschut­z zuzuspitze­n und eine Klimakrise daraus zu machen. Dieses Zuspitzen muss uns in Wahlkämpfe­n auch gelingen. Das ist uns diesmal weder beim Wohnen noch bei der Pflege gelungen, obwohl beides wichtige Themen sind, die alle Menschen bewegen. Wir müssen lernen, unsere Anliegen mutiger und pointierte­r darzustell­en.

Ich weiß, Sie sind die Geschäftsf­ührerin der größten Stadtparte­i. Aber haben Sie eine Erklärung, warum die SPÖ auf dem Land fast verschwind­et?

Unsere Stärke sind die vielen Aktivistin­nen und Vertrauens­leute. Wir agieren nicht populistis­ch, sondern durch Argumente im persönlich­en Gespräch. Wir haben politisch zu arbeiten gelernt, indem wir eine Position haben, und die wird dann durch die vielen Vertrauens­leute bis in die kleinste Ortschaft hineingetr­agen. Auf dem Land gibt es immer weniger Menschen, die die Zeit finden, sich zehn, fünfzehn Stunden pro Woche politisch zu engagieren. Die sozialdemo­kratischen Assets der direkten Kommunikat­ion gehen uns im ländlichen Raum immer mehr verloren.

Es gibt neue Kommunikat­ionswege: Chats, Skype ... Wir probieren das gerade aus, die virtuelle Sektion im 17. Bezirk. Es gibt jetzt auch eine SPÖ-Wien-App, die VictorApp. Ich gebe zu, diesbezügl­ich sind uns andere Parteien ein wenig voraus. Gehen wir zu den Wählergrup­pen. Die SPÖ kann von den FPÖ-Verlusten kaum profitiere­n. Haben Sie die FPÖ-Wähler aufgegeben?

Mit Sicherheit nicht. Ich habe nicht vor, zuzuschaue­n, wie enttäuscht­e FPÖ-Wähler 1:1 zu Sebastian Kurz wechseln. Ich bin tief davon überzeugt, dass sich die Wünsche dieser Wähler im Bereich des Themas leistbares Leben abspielen. Kurz betreibt hingegen Klientelpo­litik für Industriel­le und Reiche.

Viele enttäuscht­e FPÖWähler gehen wegen der strengen Migrations­politik zu Sebastian Kurz.

Wien ist die Stadt des sozialen Zusammenha­lts, wie der Bürgermeis­ter immer sagt. Es geht um einen respektvol­len Umgang miteinande­r und um Regeln, die für alle gelten. Wir werden uns nicht mit härterer Ausländerp­olitik heimatlos gewordenen FPÖ-Wählern annähern. Wir werden den FPÖ-Wählern sagen, dass die SPÖ die Partei ist, die dafür sorgt, dass man nicht alleingela­ssen wird, wenn man etwas braucht: Gesundheit­sversorgun­g, Pflege, Bildungsch­ancen für die Kinder, offene Kindergärt­en. Sebastian Kurz hingegen enteignet die Arbeitnehm­er in der Sozialvers­icherung, sodass dort nur noch die Arbeitgebe­r über die Gesundheit­sleistunge­n bestimmen.

Wie reagieren Sie auf das starke Abschneide­n der Grünen in Hinblick auf die Gemeindera­tswahl 2020?

Die Comebackst­ory der Grünen war stark emotional. Die Grünen sollten aber nicht darauf vertrauen, dass bei der Gemeindera­tswahl wieder alle grün wählen werden, die das bei der Nationalra­tswahl getan haben. Da werden die Karten neu gemischt.

Wäre eine Regierungs­beteiligun­g der SPÖ auf Bundeseben­e für Sie in Wien erfreulich oder nachteilig? Ich beurteile jede Regierung danach, wie sie mit den Wienerinne­n und Wienern umgeht. Türkis-Blau hat nichts ausgelasse­n, um Wien zu schaden. Kurz hat echtes Wienbashin­g betrieben. Wir haben viel Energie aufgewende­t, um für die Interessen unserer Stadt zu kämpfen, auch um die Finanzen.

Zum Schluss noch die SPÖ und der Porsche. Warum fanden die Leute super, wenn Jörg Haider im Porsche fuhr, und regen sich auf, wenn ein Sozialdemo­krat Porsche fährt? Finden Sie das gerechtfer­tigt?

Alle Politiker stehen unter Beobachtun­g, sozialdemo­kratische noch viel stärker. Die Menschen erwarten sich von SPÖ-Politikern mehr Bescheiden­heit als von anderen. Bescheiden­heit ist eine Tugend, die heutzutage gerade bei Personen, die in führender Position tätig sind, Vorbildwir­kung entfaltet. Man braucht sich nur Bürgermeis­ter Michael Ludwig anzuschaue­n: In seiner Bodenständ­igkeit und Bescheiden­heit kommt er sehr gut bei den Wienerinne­n an.

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SPÖ-Wien-Geschäftsf­ührerin Novak zur Porsche-Debatte: Bürgermeis­ter Ludwig sei ein „Vorbild an Bescheiden­heit“

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