Kommentar
Ein Deal, aber noch kein Brexit
„Wo ein Wille, da ein Deal – wir haben einen“, twitterte EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker. Der britische Premier Boris Johnson sprach schlicht von einem „großartigen Deal“: Dreieinhalb Jahre nach dem Referendum, in dem knapp 52 Prozent der Briten für einen Austritt des Königreiches aus der EU votierten, zwei verschlissene britische Premiers (David Cameron, Theresa May) später und zwei Austrittsdatumsverschiebungen später und einen bereits erfolgten Brexit-Deal später einigten sich Großbritannien und die EU nun auf eine weitere Einigung. Sie soll einen geregelten Austritt am 31. Oktober ermöglichen.
Die Erleichterung ist verständlich. Aber verfrüht. Nicht, weil die Einigung darauf, wie Nordirland die Zollunion verlässt und quasi so tut, als sei es weiter in der Zollunion, nur für Feinspitze verständlich ist. Von auf Dauer lebbar gar nicht zu reden.
Sondern vor allem, weil der Deal noch die Hürde des britischen Parlaments nehmen muss. Die nordirische DUP, die die Regierung Johnson stützt, tobt bereits. Aber mehr noch: Im Parlament geht es, wie wir monatelang erleben durften, längst um alles andere als um den Brexit. Die Opposition will den Tory-Premier weghaben, und die meisten Abstimmungen erfolgten, befeuert von internen Grabenkämpfen bei den Konservativen, unter diesem Aspekt. Während Juncker twitterte und Johnson jubelte, werden viele Abgeordnete bereits am Grübeln gewesen sein. Und zwar, mit welchem Abstimmungsverhalten am Samstag nicht der Weg zum Brexit freigeräumt, sondern Johnson weitere Prügel in den Weg geworfen werden können, auf dass er stolpert. Ob Johnson sie mit der Erleichterung über den Deal doch noch anstecken kann, ist völlig offen.
Der britische Sender Sky News hat übrigens einen neuen Kanal ins Leben gerufen, der völlig BrexitNachrichten-frei ist – weil die Briten beim Thema Brexit oder nicht Brexit zunehmend wegschalten. Es könnte sein, dass der Kanal noch länger läuft.