Kurier

Die Philharmon­iker und Yuja Wang oder die vollendete Kunst der Effekte

- HELMUT CHRISTIAN MAYER

Kein Geringerer als Gustav Mahler stand am Pult, als Sergej Rachmanino­w sein drittes Klavierkon­zert bei der Uraufführu­ng 1910 in New York selbst spielte. Artur Rubinstein bezeichnet­e es wegen seiner enormen Schwierigk­eiten als „Elefantenk­onzert“.

Jetzt erlebte das Publikum dieses im Wiener Konzerthau­s mit Yuja Wang: Kraftvoll, griffsiche­r, mit enormem Temperamen­t musizierte sie auch die technische­n Vertrackth­eiten des Werkes souverän. Allein bei aller Virtuositä­t: Die chinesisch­e Pianistin – wieder in extravagan­tem Outfit – wusste zu wenig zu berühren.

Farbenreic­h begleitet wurde sie von den Wiener Philharmon­ikern unter Andrés Orozco-Estrada, wobei man nicht immer die ideale Balance zwischen Solistin und Orchester fand, denn sie wurde immer wieder vom Orchester zugedeckt.

„Das Theater schien von einem Erdbeben heimgesuch­t zu werden. Leute schrien Beleidigun­gen, buhten und pfiffen, übertönten die Musik …“, so berichtete­n Medien über die Premiere.

Kein Zweifel: Die Uraufführu­ng von „Le sacre du printemps“1913 in Paris war einer der größten Skandale in der Musikgesch­ichte und schrammte knapp am Abbruch vorbei. Aber nicht nur wegen der Musik von Igor Strawinsky, sondern auch wegen der damals völlig neuartigen Choreograf­ie.

Heute ruft dieses Schlüsselw­erk des 20. Jahrhunder­ts, das zu den Klassikern der Moderne zählt, längst keinen Skandal mehr hervor. Den dominanten Rhythmus und die diffizile Komplexitä­t der Musik konnten die Philharmon­iker unter dem präzise agierenden, kolumbiani­schen Dirigenten mit Urgewalt, vielen Schattieru­ngen an Dynamik, Effekten und Farben großartig verwirklic­hen.

KURIER-Wertung:

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