Kurier

Opernball-Grande-Dame Tobisch gestorben

Schauspiel­erin Lotte Tobisch verstarb im Alter von 93 Jahren nach langer Krankheit

- JUERG CHRISTANDL

Es war eigentlich zweitrangi­g, ob man den Opernball gut fand oder ablehnte, ob man sich als bürgerlich oder als links verstand: Die Person Lotte Tobisch schwebte in Österreich stets über allen Lagern, als ein Inbegriff von Eleganz und Charme.

Die außergewöh­nliche Aura der Dame, die am Samstag im Alter von 93 Jahren verstorben ist, lag wohl auch darin begründet, dass die 1926 geborene Schauspiel­erin und Managerin zwar von Geburt an die Sphäre des gehobenen gesellscha­ftlichen Status bewohnte, aus diesem aber nie eine Abgehobenh­eit ableitete. Abschätzig­e Bemerkunge­n sind von Lotte Tobisch nicht wirklich überliefer­t, dafür unzählige Bonmots, mit denen sie der Welt bis ins hohe Alter mit erfrischen­der Klarheit begegnete. „Eine wirkliche Dame, die kann auch manchmal ,Scheiße’ sagen“, gab sie dem KURIER etwa zu ihrem 90. Geburtstag 2016 zu Protokoll.

Zeitzeugin

Tobischs Eleganz und Bescheiden­heit gründete aber auch darin, dass sie die Wirren des 20. Jahrhunder­ts durchlebt und sich von ihnen nicht unterkrieg­en hatte lassen. In eine traditions­reiche Familie geboren, genoss Lotte Tobisch-Labotyn zunächst eine Ausbildung an elitären Schulen und lernte Schauspiel am Franz-Schubert-Konservato­rium (damals Konservato­rium Horak) in Wien. Noch vor Ende ihrer Ausbildung gelang ihr der Sprung ans Burgtheate­r, wo sie sich kurzfristi­g als Einspringe­rin angeboten hatte. Es folgten Rollen am Volkstheat­er, am Theater in der Josefstadt oder an der Komödie Basel. 1955 spielte Tobisch Hitlers Geliebte Eva Braun im Film „Der letzte Akt“. 1960 kehrte sie als Ensemblemi­tglied ans Burgtheate­r zurück, wo sie auch im Betriebsra­t engagiert war. Tobisch spielte ihre zivilgesel­lschaftlic­hen Verdienste gern herunter, sie wollte nie als Heldin gelten. Und doch gibt es zahlreiche Geschichte­n, die belegen, dass es Tobisch oft gelang, intuitiv das Richtige zu tun: So beherbergt­e sie während der NSZeit einen verfolgten britischen Soldaten, 1965 machte sie bei Protesten gegen den trotz offener NS-Gesinnung unbehellig­ten Professor Taras Borodajkew­ycz mit und wurde gegenüber einem Neonazi handgreifl­ich. „Meine Mutter war entsetzt“, erzählte sie. „Doch ich sagte ihr, das Schweigen und Sichverste­cken ist schon einmal schlecht ausgegange­n. Manchmal muss man vor die Türe gehen und sich hauen lassen.“

Tobisch war mit Staatsmänn­ern und führenden Intellektu­ellen befreundet – mit Carl Djerassi, Elias Canetti, Bruno Kreisky. In Liebesding­en überstrahl­te eine Beziehung zu Erhard Buschbeck, dem Chefdramat­urgen des Burgtheate­rs (1889 – 1960), alles. Ihr Briefverke­hr mit dem Philosophe­n Theodor Wiesengrun­d Adorno, der sich von 1962 bis 1969 entspann, erschien 2003 als Buch. Als Lebensmott­o zitierte die Dame, die politisch zuletzt mit den Neos sympathisi­erte, gern Voltaire: „Weil es der Gesundheit zuträglich ist, habe ich beschlosse­n, glücklich zu sein.“

Gastgeberi­n

Tobischs Weltläufig­keit und Offenheit prädestini­erten sie für ihre Rolle als Gastgeberi­n des Opernballs. Von 1981 bis 1996 verantwort­ete sie 15 Ausgaben des Großereign­isses, 1991 sagte sie den Ball aufgrund des Golfkriege­s ab.

Wenngleich royale, wirtschaft­liche und künstleris­che Eliten am Ball ihre Bühne fanden – als ein Highlight gilt die Eröffnung durch Placido Domingo und José Carreras im Jahr 1989 – so hatte Tobisch nie Berührungs­ängste: So bekam die Drag-Queen „Dame Edna“in der Oper ebenso einen Auftritt.

Auch nach dem Ende ihrer Ball-Ära blieb die charismati­sche Dame engagiert – im Kampf gegen Alzheimer, im Freundesve­rein der Hebräische­n Universitä­t Jerusalem und im Verein „Künstler helfen Künstlern“, der ein Heim für Kunstschaf­fende in Baden bei Wien betreibt. Nach Jahrzehnte­n, in denen sie nahe der Wiener Oper residiert hatte, verbrachte Tobisch zuletzt immer mehr Zeit in diesem Haus. Dort ist sie am Samstag auch verstorben.

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 ??  ?? Das Lexikon zeigt beim Begriff „Grande Dame“ihr Bild: Lotte Tobisch, fotografie­rt kurz vor ihrem 90. Geburtstag im März 2016
Das Lexikon zeigt beim Begriff „Grande Dame“ihr Bild: Lotte Tobisch, fotografie­rt kurz vor ihrem 90. Geburtstag im März 2016
 ??  ?? Am Opernball 1994 mit Udo Jürgens und Hannes Jagerhofer (re.)
Am Opernball 1994 mit Udo Jürgens und Hannes Jagerhofer (re.)
 ??  ?? Tobisch mit Drag-Queen „Dame Edna“am Opernball 1996
Tobisch mit Drag-Queen „Dame Edna“am Opernball 1996

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