Briten verschieben Brexit-Abstimmung
Parlament vertagt schon wieder Exit-Szenario aus der EU. Premier Johnson unter Zugzwang
„Die Arbeiterklasse hat gesprochen, ich gehöre zu ihr und bin bei ihnen“, so kommentierte im März 2017 Johnny Rotten, Sänger der einst als anarchistische Gefährdung des britischen Staats gefürchteten PunkBand Sex Pistols das einzig dominante Politik-Thema Großbritanniens in einem TV-Interview. ProEuropäern wie etwa seinem Musikerkollegen Bob Geldof würde er schon lange nicht mehr zuhören: Kaum zu glauben wie blöd das sei, was die von sich geben würden.
Bis dahin hatte man weithin angenommen, die weltoffene Pop-Szene sei sich in ihrer Ablehnung des Brexit einig, schließlich hatten Musiker wie eben Bob Geldof, Damon Albarn, Jarvis Cocker und Brian Eno lautstark vor den Auswirkungen eines EU-Austritts auf die Pop-Szene gewarnt.
Doch die Anti-Establishment-Parolen des Brexit üben auf so manche professionellen Rebellen offenbar eine große Anziehungskraft aus, wohl auch mit Hintergedanken an ihre Glaubwürdigkeit beim eigenen Publikum. Mutige Pop-Stars wie die meinungsstarke Lily Allen haben in sozialen Medien einen heftigen Backlash für ihre Kritik am Brexit einstecken müssen: „Ich würde den Erstbesten wählen, der den Brexit ungeschehen macht“, hatte sie auf Twitter geschrieben, samt Prognosen dazu, wie der Brexit gerade die Armen in Großbritannien noch ärmer machen würde.
Sie sei selbst abgehoben und wisse nicht, wovon sie spreche, hallte es aus der Twittersphäre zurück. Johnny Rotten dagegen erklärte unter enthusiastischer Zustimmung seiner alten Fans auf diversen Online-Foren, er wolle dem Brexit-Hardliner Nigel Farage „die Hand schütteln.“
Und diese Einstellung teilte er bei weitem nicht bloß mit dem nach weit rechts gedrifteten Ex-SmithsSänger Morrissey. Auch der sonst dem Wahlspruch „Peace and Love“ verpflichtete Beatle Ringo-Starr bekannte gegenüber der BBC: „Die Kontrolle über sein eigenes Land zu haben, ist ein großartiger Schritt.“„Aber sagen Sie Bob Geldof nichts davon.“Das Volk habe abgestimmt, „und jetzt müssen sie es durchziehen. Plötzlich heißt es: Oh, wir mögen das Ergebnis nicht. Was soll das bedeuten?“Zwar war sich der für seltsames Gebaren hinreichend bekannte Ringo-Starr zuletzt nicht ganz sicher, ob er tatsächlich für den Brexit gestimmt oder es nur vorgehabt hatte, aber die Meinung eines Ex-Beatles hallte trotzdem in den britischen Medien wieder.
Ringo-Starrs überlebender alter Bandkollege Paul McCartney, von jeher keine konfliktfreudige Natur, ließ
Beim Brexit uneins: Roger Daltrey und Pete Townshend von The Who Gerangel nicht nur um Trophäen: Ex-Beatles Ringo Starr ist für den Brexit, Paul McCartney klar dagegen
seinen gegenteiligen Standpunkt erst diesen Herbst, ebenfalls in einem BBC-Interview, durchblicken: „Was mich abstieß, war, dass ich viele ältere Leute traf, so ungefähr aus meiner Generation, und die sagten: 'Alles klar Paul! Es wird wieder wie zu alten Zeiten sein, wir werden wieder zurückgehen.' Und ich: 'Echt? Bin mir nicht so sicher, was ich davon halte.'“McCartney gestand ein, selbst nicht abgestimmt zu haben: „Ich habe einfach niemanden gehört, der etwas ausreichend Vernünftiges zum Thema von sich gegeben hat.“
Geschwisterzwist bei Oasis
Tatsächlich teilt das Thema Brexit nicht nur Generationen und Familien, sondern auch Bands – und da einige der größten Namen aus den Geschichte der britischen Rockmusik .
So konnten die im ewigen Streit befindlichen Brüder Gallagher, bei Oasis ehemals Aushängeschilder des Union-Jack-wedelnden BritpopBooms der 1990er-Jahre, dieser Gelegenheit für einen Geschwisterzwist nicht widerstehen. „Das einzig Schlimmere als die Deppen, die für den Brexit gestimmt haben“, sagte Songwriter Noel Gallagher, „das ist die Sorte (grobes britisches Schimpfwort, Anm.), die versucht, das Votum umzukehren. Ihr habt an einem demokratischen Prozess teilgenommen. Wenn ihr das Ergebnis nicht mögt, geht nach Nordkorea.“
Er selbst,so Noel, habe am Tag der Abstimmung „seinen Arsch
„Die Kontrolle über sein eigenes Land zu haben, ist ein großartiger Schritt.“
Johnny Rotten, Ex-SexPistol, sieht den Brexit als Votum der Arbeiterklasse