Kurier

Der Winter beginnt jetzt

Trotz warmen Wetters werden erste Pisten präpariert. Aber wo wird es künftig noch Schnee geben und wie reagiert der Tourismus? Dazu: Die Kunst der Panoramama­ler, die unser Bild von den Bergen prägen

- VON BERNHARD GAUL

„Starten Sie mit uns in Ihren Skiwinter – ab 19. Oktober durchgehen­der Skibetrieb am Resterkoge­l“, wirbt die Panoramaba­hn Kitzbühele­r Alpen GmbH.

Das Foto, das zeigt, wie das funktionie­ren soll, ging in den vergangene­n Tagen um die Welt. Zu sehen ist da ein „irrwitzige­s Schneeband“, so kritisiert­en das die Grünen. Ein schmales Schneeband aus angekarrte­m Altschnee, und das bei 19 °C plus, wohlgemerk­t.

Ja, der Winter beginnt jetzt. Bei spätsommer­lichem Wetter werden die ersten Pisten präpariert.

Aber kann das gut gehen – und wie lange noch? Oder erleben wir wegen der Klimakrise schon die letzten Skisaisone­n in Österreich?

Natürliche­n Schnee wird es in Österreich langfristi­g immer weniger geben, die Skination wird dennoch auch die nächsten Jahrzehnte weiter auf den Hängen der über 400 Skigebiete Österreich­s wedeln können – auf diesen Satz lassen sich die Prognosen der Klima- und Wetterfors­cher zusammenfa­ssen.

Warum das kein Widerspruc­h ist, erklärt der Leiter der Abteilung Klimaforsc­hung der ZAMG (Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik), Marc Olefs, im Gespräch mit dem KURIER.

Zuerst zu den Fakten

Global ist es (seit dem 19. Jahrhunder­t) um mehr als 1 °C wärmer geworden, im Alpenraum um fast 2° C. „Vor allem weil sich die Luft über Landmassen deutlich stärker erwärmt als über den thermisch trägeren Ozeanen“, sagt Olefs.

Die natürliche Schneedeck­e wird bei global ungebremst­en Treibhausg­asemission­en bis Ende dieses Jahrhunder­ts in tiefen Lagen um bis zu 90 Prozent abnehmen, in höheren Lagen (ab 1.500 Meter) um rund 50 Prozent abnehmen. Sollten tatsächlic­h global drastische Klimaschut­zmaßnahmen greifen, und die Klimaschut­zziele (nicht viel mehr als 1,5 °C Erwärmung) eingehalte­n werden, rechnen die Forscher mit einer Abnahme der natürliche­n Schneedeck­e um 40 bis 50 Prozent, in höheren Lagen um weniger als 20 Prozent.

Die Niederschl­äge in den Alpen werden in den Wintermona­ten eher etwas zunehmen. Hochgelege­ne Skigebiete könnten also vom Schneefall zumindest im Kernwinter kurzzeitig profitiere­n, für niedrig gelegene Gebiete unter 1.500 Meter wird es schwierige­r werden, da durch den Regen die Schneedeck­en, egal ob natürlich oder künstlich, schneller abschmelze­n werden.

Die Schneedeck­endauer ändert sich ebenfalls signifikan­t, der Start verschiebt sich um rund einen Monat nach hinten, das Ende wird um bis zu drei Monate früher erwartet. „Weiße Weihnachte­n werden wir Ende des Jahrhunder­ts ohne Klimaschut­z in tiefen Lagen kaum mehr erleben“, sagt Forscher Olefs.

Durch die höheren Temperatur­en werden die Zeitfenste­r zum Anwerfen der Schneekano­nen immer kleiner – auch in der Nacht.

Bis Ende dieses Jahrhunder­ts werden im österreich­ischen Alpenraum kaum mehr Gletscher zu finden sein. Die Forscher erwarten einen Rückgang der „ewigen“Eismassen von mehr als 90 Prozent, bestenfall­s Reste großer Gletscher (etwa Pasterze) werden noch zu sehen sein. Österreich­s Gletscher haben seit der letzten „kleinen Eiszeit“(seit 1850) bereits rund 60 Prozent ihrer Eismasse verloren.

Schneekano­ne statt Frau Holle

Keine guten Nachrichte­n also. Dennoch: Mittelfris­tig ist der Winterspor­t in den Alpen gesichert. Auch in niedrigen Gebieten wird das möglich sein, allerdings – und jetzt kommt der Haken – zu extrem hohen Kosten. Denn der technische Aufwand, die Skipisten zu beschneien, die Menge an benötigtem Wasser und der Strom für die Schneekano­nen steigen seit Jahren und werden noch weiter steigen.

„Will man die derzeitige­n Kapazitäte­n für die Skipisten aufrechter­halten, brauchen wir deutlich mehr Effizienz im System, um mit der Erwärmung mithalten zu können“, erklärt Marc Olefs. Die meisten Skigebiete erzeugen längst ihren Schnee „künstlich“, sollte natürliche­r Schnee fallen, ist das vor allem fürs Auge schön. Für das Skifahren auf Pisten ist das nicht mehr so wichtig.

Das nächste Problem betrifft die warmen Temperatur­en. Denn Beschneien macht erst in kalten Nächten unter –2 °C Sinn. Essenziell ist dabei auch die Luftfeucht­igkeit, je trockener die Luft, desto besser lässt sich Schnee produziere­n. Durch die Erwärmung sind die Zeitfenste­r, wann die Schneekano­nen angeworfen werden können, immer kleiner. In kurzer Zeit muss dann viel mehr Schnee produziert werden. „Das wird die große Herausford­erung der Skigebiete.“

Der ökologisch­e Fußabdruck der Kanonen in Österreich sei aber vernachläs­sigbar. „Das meiste CO2 produziere­n Gäste nach wie vor bei der An- und Abreise mit dem Pkw sowie bei der Beherbergu­ng. Da wäre aus unserer Sicht eher Potenzial zum Sparen, etwa durch Angebote zum klimaneutr­alen Reisen.“

Zugegeben, die vergangene­n beiden Skisaisone­n waren nicht nur für Hoteliers und Liftbetrei­ber glückliche, mit teils enormen Schneemeng­en. Der Klimaforsc­her gibt aber zu bedenken, dass es schon immer natürliche Schwankung­en mit mehreren schneearme­n oder auch schneereic­hen Wintersais­onen gab .

Aber es kann auch mal schlecht laufen: Mehrere schneearme Winter in Folge, dazu hohe Investitio­nskosten für die künstliche Beschneiun­g und steigende Betriebsko­sten, dann werden vor allem kleine Skigebiete in niedrigen Lagen zusehends unter Druck geraten. Auch weil sie mit den Großen, höher Gelegenen nicht mehr mithalten können. Es gibt auch in Österreich bereits Skigebiete, die für immer zugesperrt haben.

Es lässt sich aber nicht pauschal sagen, wie sich die Klimakrise und die Erwärmung auf die einzelnen Skigebiete mittelfris­tig auswirken wird: „Das hängt von der Höhe und vom Mikroklima ab.“

Landschaft­sbild

Schmerzlic­h ist das sichere Aus aller heimischen Gletscher. In Island wurde im vorigen Monat der erste Gletscher für tot erklärt, es ist ein weltweites Phänomen. Doch anders als im Himalaja oder in Südamerika, wo oft die Wasservers­orgung wesentlich von den Gletschern abhängig ist, ist das Abschmelze­n unserer Gletscher weder für das Trinkwasse­r, noch für die Wasserkraf­t oder die großen Flusspegel wichtig.

„In der gesamten Eismasse unserer Gletscher ist in etwa nur ein Fünftel der Menge an Wasser gespeicher­t, die im Mittel pro Jahr in ganz Österreich als Niederschl­ag fällt“, sagt der Klimaforsc­her. „Die Hauptauswi­rkung betrifft also eigentlich nur mehr das Landschaft­sbild.“

„Weiße Weihnachte­n werden wir Ende des Jahrhunder­ts ohne Klimaschut­z in tiefen Lagen kaum mehr erleben.“Dr. Marc Olefs

Leiter der Klimaforsc­hung an der ZAMG

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Gestern, am Samstag den 19. Oktober 2019, startete auf der Resterhöhe in Mittersill (Pinzgau) die Skisaison
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