Kurier

„Vorwurf, dass manche auf dem Handy spielen, lasse ich nicht zu“

Wolfgang Sobotka. Der Nationalra­tspräsiden­t spricht über Ausrutsche­r, Entpolitis­ierungen und seine erneute Kandidatur.

- VON JOHANNA HAGER

Was zeichnet das Amt des Nationalra­tspräsiden­ten aus, dass Sie sich erneut darum bewerben?

Wolfgang Sobotka: Es ist eine ganz zentrale Funktion im Sinne unserer Demokratie. Der Präsident muss sicherstel­len, dass das Parlament sowohl in der Gesetzgebu­ng, als auch in gesellscha­ftlichen Fragen seine Verantwort­ung wahrnehmen kann. Demokratie­vermittlun­g, Erinnerung­skultur, internatio­nale Vernetzung, aber auch der Austausch mit Wissenscha­ft, Kunst und Kultur sind für mich hier wesentlich. Am Ende muss im Parlament Dialogbere­itschaft vorgelebt werden und die Präsidiale ist hier ein gutes Beispiel.

Für parlamenta­rische Laien: Was geschieht in der Präsidiale?

Es ist ein Beratungsg­remium, in dem das Nationalra­tspräsidiu­m und die Klubobleut­e aller Fraktionen vertreten sind. Dort wird im Konsens festgelegt, welche Sitzungen wann wo einberufen werden, welche Tagesordnu­ng es geben soll und wie beispielsw­eise internatio­nale Themen handzuhabe­n sind.

Was die Debattenku­ltur betrifft, gibt es für Sie Potenzial nach oben?

Das gibt es immer. Wenn wir uns im internatio­nalen Vergleich, also im europäisch­en Kontext oder nach Großbritan­nien sehen, so brauchen wir keinen Vergleich zu scheuen. Das Mutterland der Demokratie zeichnet sich oft durch einen rüden Ton aus, der Deutsche Bundestag ist hier sicherlich etwas geschliffe­ner. Was beispielsw­eise die Disziplin der Anwesenhei­t betrifft, sind wir im internatio­nalen Vergleich aber weit oben angesiedel­t. Im Schweizer Bundestag habe ich schon Debatten mit nur zehn Parlamenta­riern erlebt. Was die Qualität der Debatte anbelangt, so liegen wir im oberen Spitzenfel­d, wenngleich es immer wieder Ausrutsche­r gibt.

Gibt es weniger Ausrutsche­r?

Meine 182 Kollegen haben auch persönlich Mühe darauf verwandt, sich mit wirklich guten Debatten zu positionie­ren. Schließlic­h werden diese auch im TV übertragen und von einer breiten Öffentlich­keit wahrgenomm­en. Es geht darum, die Balance zu halten zwischen lebendiger Debattenku­ltur und einer emotionslo­sen Abarbeitun­g. Wir sind eher bei der Lebendigke­it als bei der Fadesse. Man darf bei aller Kritik aber nicht aus den Augen verlieren, dass Parlamenta­rier heute ein sehr breites Feld abzudecken haben. Mit der Arbeit im Wahlkreis haben die Kolleginne­n und Kollegen grosso modo eine 80-Stunden-Woche, darunter ist es nicht zu schaffen. Das bringt auch eine permanente Erreichbar­keit mit sich.

Manche Parlamenta­rier wirken mehr ins Handy als in die Debatten vertieft.

Den Vorwurf, dass manche auf dem Handy spielen, lasse ich nicht zu. Größtentei­ls liest man OnlineNach­richten, um sich aktuelle Informatio­nen vor und während Debatten zu holen, man beantworte­t eMails oder man kommunizie­rt und stimmt sich ab. Beeinfluss­t die Expertenre­gierung mit Bundeskanz­lerin Bierlein die Diskussion im Hohen Haus?

Das kann man so schwer beurteilen. Eventuell ist aufgrund einer gewissen Entpolitis­ierung der Ton etwas ruhiger geworden. Die inhaltlich­e Auseinande­rsetzung hat sich nicht geändert, und das ist auch gut so. Das Parlament ist und bleibt der Ort der politische­n Auseinande­rsetzung. Das kann bisweilen auch emotional sein, man sollte sich aber immer noch in die Augen sehen können.

Wann rechnen Sie mit einer neuen Regierung?

Jetzt wird erst einmal sondiert. Solidität ist überhastet­em Arbeiten vorzuziehe­n. Ich hoffe, dass man im November mit den Sondierung­en fertig ist und in Verhandlun­gen geht.

Apropos fertig werden: Wann wird das Hohe Haus fertig renoviert sein? 2021. Ich werde alles daransetze­n, dass die Herbsttagu­ng 2021 im Haus am Ring starten kann.

Und wie weit sind die Pläne des eigenen Parlaments-TV gediehen?

Hier hat die Nationalra­tswahl zu einer Verzögerun­g geführt. Dennoch sind wir auf einem guten Weg. Den Live-Stream kann auch jetzt bereits jeder Mandatar nutzen – auch für seine eigenen Social-Media-Aktivitäte­n.

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Wolfgang Sobotka (ÖVP) will wieder das zweithöchs­te Amt im Staat bekleiden

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