Profiteur Putin
Syrien. Für Russlands Präsidenten läuft im Bürgerkrieg dank Trump und Erdoğan derzeit alles genau nach Plan Kurze Geschichte des langen syrischen Bürgerkriegs
Seit 2015 kämpft Putin aktiv auf syrischer Seite und gilt in der Region – im Gegensatz zu den USA – als verlässlicher Partner. Der Einfluss Moskaus wächst
Die russische Fahne flattert über den Militärfahrzeugen, die durch die syrische Stadt Manbidsch patrouillieren. Eine Stadt, die ein begehrtes Ziel der Türkei-gestützten Rebellen ist. Doch wo in Syrien die russische Fahne weht, machen die meisten Akteure des Bürgerkriegs einen Bogen darum. Speziell die Türkei. Ihr Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, erinnert sich zu gut an die russischen Sanktionen, nachdem seine Truppen ein russisches Militärflugzeug abgeschossen hatten.
Auf Geheiß Wladimir Putins mieden russische Touristen die Türkei und ruinierten damit für ein Jahr lang den türkischen Tourismus. Demütig entschuldigte sich Erdoğan bei Putin. Und für den läuft derzeit in der Region alles nach Plan: „Die territoriale Integrität Syriens muss wiederhergestellt werden, und zwar vollständig“, forderte er in einem Interview vor genau einer Woche und konkretisierte seine Aussage: „Alle Staaten, die rechtswidrig auf syrischem Gebiet sind, müssen es verlassen.“
Klare Botschaft an USA
Das ist eine klare Botschaft an die USA, die nach wie vor Truppen in Syrien stationiert haben, ebenso an Erdoğan und seine derzeitige Militäroffensive in Nordsyrien. Nur Russland und der Iran wurden von der syrischen Regierung ins Land gebeten und sind damit – zumindest völkerrechtlich – die einzigen legitimierten ausländischen Kräfte in Syrien. „Ich halte Russland definitiv für den Gewinner der jüngsten Ereignisse“, sagt Gerhard Mangott, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck, zum KURIER. „Er hat durch das Zurückdrängen der Kurden und ihre anschließende Unterwerfung vor Bashar al-Assad dem Regime in Damaskus ermöglicht, die Kontrolle in Nordsyrien wiederherzustellen.“
Gleichzeitig profitiert Putin vom Abzug der USA aus Nordsyrien. „Washington galt bereits in Saudi-Arabien als unverlässlicher Partner in Bezug auf den Iran-Konflikt.
Seit dem März 2011 tobt der Bürgerkrieg in Syrien – und damit bereits achteinhalb Jahre lang. Im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings demonstrierten Aktivisten in der südsyrischen Stadt Daraa gegen die Regierung von Bashar al-Assad. Die Proteste weiteten sich auf weitere Städte aus, darunter auch auf die Hauptstadt Damaskus. Assad reagierte bald mit Härte gegen die anfangs friedlichen Demonstrationen, die Eskalationsspirale drehte sich rasch.
Während sich aus Deserteuren der syrischen Armee die „Freie Syrische Armee“bildete, spürten Islamisten aus Tschetschenien, Afghanistan, der Türkei und dem Irak Auftrieb und beteiligten sich bald an den Auseinandersetzungen. Unterstützt von der Türkei, SaudiJetzt sind die USA auch für die Kurden Verräter. Im Gegensatz dazu hat Putin Assad nie fallen gelassen – Russland gilt als verlässliche Großmacht in der Region“, sagt Mangott. Zusätzlich spiele die derzeitige Spaltung der NATO Putin in die Hände. Durch den Angriff Erdoğans geben Arabien und anderen Ländern in der Region gewannen die Rebellen immer mehr an Macht, auch wenn sie untereinander stets unterschiedliche Ziele verfolgten. Auch EU-Länder und die USA unterstützten Rebellen mit Waffen. Mit dem Aufstieg der Terrormiliz „Islamischer Staat“gewann der Konflikt noch mehr an internationaler Brisanz, Assad geriet mehr und mehr in die Defensive.
Bis Russland im September 2015 aktiv ins Geschehen eingriff und das Regime in Damaskus militärisch unterstützte. Auf die Einnahme der zweitgrößten Stadt Aleppo folgte ein Vormarsch der Regierungstruppen, östlich des Euphrat gewannen die kurdisch dominierten „Syrischen Demokratischen Kräfte“(SDF) immer mehr an Einfluss und Gebiet. sich andere NATO-Staaten wie Deutschland oder Frankreich empört, schränken Waffenlieferungen nach Ankara ein. Nicht zuletzt die diplomatische Volte, als Erdoğan US-Vize Mike Pence zuerst nicht empfangen wollte und dann doch, dürfte Putin ein heimliches Grinsen abgerungen haben.
„Türkei zufrieden“
Spätestens seit der Eroberung der Stadt Aleppo gibt es in Syrien drei starke Großmächte, die den Verlauf des Krieges am stärksten lenken: Die Türkei, den Iran und Russland. Deren Staatschefs treffen sich regelmäßig, tauschen sich aus. Insofern klingt es für Mangott schlüssig, dass Erdoğan schon vor der Offensive wusste, dass es zu einem russisch vermittelten Abkommen zwischen Damaskus und den Kurden kommen würde: „Erdoğan war klar, dass sich die Kurden Assad unterwerfen werden und Soldaten der syrischen Armee in das Gebiet der geplanten ,Sicherheitszone’ vorrücken werden. Doch das nimmt er in Kauf, denn damit sind die kurdischen Hoffnungen auf Autonomie zerstört.“
Assad hatte wiederholt betont, dass er die „Einheit des syrischen Staates“wiederherstellen wolle. „Wenn die Kurden entmachtet sind, ist die Türkei durchaus zufrieden“, sagt Mangott.