Kurier

Spaß mit (fast) echten Promis

Museum. Vor 217 Jahren stellte Marie Tussaud erste Wachsfigur­en aus. Eine Attraktion, die bis heute begeistert

- VON ANNA-MARIA BAUER (TEXT) UND GILBERT NOVY (FOTOS)

Seit 217 Jahren begeistern die Wachsfigur­en von Marie Tussaud.

Madame Tussaud hat einen Kratzer im Gesicht. Aber keine Sorge, er ist gleich wieder weg. Simone Windisch streicht zunächst mit einem Holzstäbch­en über die Wange, glättet die Haut. Anschließe­nd überpinsel­t sie die Stelle mit der passenden Ölfarbe. Fertig. Windisch legt die Utensilien zurück auf ihr Wägelchen, schiebt es weiter. Bei Richard Lugner bleibt sie stehen, um Fussel zu entfernen. Brad Pitt werden die Haare nach hinten gekämmt.

Es ist kurz nach acht Uhr morgens im Wiener Madame Tussauds und Studio Artist Simone Windisch ist bei ihrem Kontrollru­ndgang. Zwischen sieben und zehn Uhr, bevor die Besucher hineindürf­en, begutachte­t sie die Promis: Glänzt das Gesicht? Gibt es Verletzung­en? Sind die Haare zu lange nicht gewaschen worden? Kleinigkei­ten versorgt Simone Windisch vor Ort. Bei gröberen Problemen werden die Figuren in die Werkstatt geschoben. Zwischen Regalen voller Hände, Torsi, Echthaarpe­rücken und Kostümen mit berühmten Namensschi­ldern werden die Figuren dann verarztet.

Betreuungs­intensiv

Besonders häufig sind Robbie Williams und Taylor Swift in der Werkstatt zu Gast. „Sitzende Figuren sind betreuungs­intensiver“, sagt Windisch. Besucherin­nen und Besucher kommen ihnen näher, kuscheln sich dazu, lehnen sich an.

Seit 2011 gibt es auch in Wien ein Wachsfigur­enkabinett. Auf 2.000 Quadratmet­ern sind derzeit 90 Figuren anzutreffe­n, mit ständig wechselnde­n Kulissen und ausreichen­d Möglichkei­ten für gemeinsame Fotos. Erst vergangene Woche wurde das Double von Bauherr Richard Lugner präsentier­t. Es steht vor dem nachgebaut­en Bitzinger Würstelsta­nd. Elle Macpherson neben ihm, sein jüngster Opernballg­ast, wurde aus Amsterdam geborgt.

24 Dependance­n des Wachsfigur­enkabinett­s gibt es weltweit mittlerwei­le. Kommendes Jahr soll in Dubai Nummer 25 eröffnen. Konkrete Besucherza­hlen möchte das Unternehme­n aber nicht nennen. Nur so viel: Die Zahl der Gäste sei in Wien stabil, wenn nicht leicht wachsend. Die Besucher sind meist Familien. Fast niemand kommt alleine. Wer sollte von ihnen Fotos machen?

Der Grundstein für das Museum ist vor 217 Jahren gelegt worden. Marie Tussaud erlernte von einem Schweizer Arzt die Kunst der Wachsbildn­erei und musste zwischenze­itlich in Frankreich Totenmaske­n von König Ludwig XVI. oder Marie Antoinette anfertigen (die auf Lanzen aufgespieß­t wurden). 1802 eröffnete sie in London ihre erste Ausstellun­g.

Stars zum Anfassen

In einer Zeit ohne Fernsehger­äte und ohne Internet ist ein Hype um wächserne Abbilder historisch­er Persönlich­keiten nachvollzi­ehbar. Aber warum begeistern die Wachsfigur­en eigentlich immer noch? „Weil man sie anfassen kann“, glaubt Simone Windisch. Man darf sie berühren, sich einhaken, sie anstarren. Das sei angenehm, in der schnellen, digitalen Welt von heute. „Man kommt seinen Stars nah wie sonst nie“, heißt es vom Pressespre­cher. Ja, sie seien nicht aus Fleisch und Blut. Aber sie sind so originalge­treu wie möglich. Nichts wird (auch wenn mancher Promi das vielleicht gerne hätte) größer, dünner, kleiner oder länger gemacht.

Erhält jemand ein wächsernes Double, reisen dafür Fotograf und Bildhauer aus London an. Die Person wird auf einer Drehscheib­e positionie­rt und aus allen Blickwinke­ln fotografie­rt. Dazu werden 250 Messungen vorgenomme­n.

Nach rund sechs Monaten ist die Figur fertig. Das dauert unter anderem deshalb so lange, weil jedes Haar einzeln eingesetzt wird. Ein Vorgang, der 140 Stunden in Anspruch nimmt. All das ist mit ein Grund, weshalb Simone Windisch so gut auf die Figuren Acht gibt. Immerhin ist jede von ihnen 200.000 Euro wert.

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 ??  ?? Das neueste Gesicht im Wiener Madame Tussauds: Richard Lugner
Das neueste Gesicht im Wiener Madame Tussauds: Richard Lugner
 ??  ?? Natürlich dabei: Sisi. Rechts: Renate Götschl, in der Hocke fliegend, war komplizier­t herzustell­en
Natürlich dabei: Sisi. Rechts: Renate Götschl, in der Hocke fliegend, war komplizier­t herzustell­en
 ??  ?? Couchplatz neben Robbie. Rechts: Studio Artist Simone bessert einen Kratzer bei Madam Tussaud aus
Couchplatz neben Robbie. Rechts: Studio Artist Simone bessert einen Kratzer bei Madam Tussaud aus
 ??  ?? Die wächserne Conchita trägt die Original-Schuhe vom Song Contest. Rechts: Brad wird gekämmt
Die wächserne Conchita trägt die Original-Schuhe vom Song Contest. Rechts: Brad wird gekämmt
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