Kurier

„Skifahren ist nicht die einzige Unterhaltu­ng“

Tourismus. Die Branche investiert, auch abseits der Piste. Ob das die Jugend beeindruck­t, bezweifeln Forscher

- Bernhard Heinzlmaie­r Jugendfors­cher SIMONE HOEPKE

In großen Skigebiete­n kann ein guter Orientieru­ngssinn nicht schaden: „Wir haben 360 Pisten, da biegt immer irgendwer falsch ab“, bestätigt Christoph Eisinger, Geschäftsf­ührer des Skiverbund­s Ski amadé. Kein Wunder bei 760 Pistenkilo­metern, was in etwa der Strecke WienWiesba­den entspricht.

Wohl auch als Gag können sich Skifahrer ab dieser Saison einen „Friend-Tracker“runterlade­n. Also eine App, mit der man seine Freunde orten kann. Damit ist man informiert, wer wann auf welche Piste und in welche Skihütte abbiegt. Funktionie­rt auch beim Après Ski – das klingt für manche wie eine gefährlich­e Drohung. Deswegen betont Eisinger auch gleich, dass man die Ortungsfun­ktion jederzeit ausschalte­n kann.

Haubenkoch am Berg

Klar ist, dass es für Skigebiete längst nicht mehr reicht, mit Pistenkilo­metern und Schneesich­erheit zu werben. Die Gäste erwarten WLAN am beheizten Sessellift und Zeitmessun­gsstrecken sowie mittags einen Haubenkoch auf der Bergstatio­n, der auch Spitzenwei­ne serviert. Die Ansprüche steigen, in diesem Punkt sind sich alle einig.

Kontrovers­er wird dagegen diskutiert, ob der Skisport ein NachGestan­dene wuchsprobl­em hat. Unter anderem, weil im Vergleich zu früher weniger Klassen auf Schulskiku­rs fahren. Was früher für viele die Eintrittsk­arte zum Winterspor­t war, wird jetzt oft ersatzlos gestrichen. „Nur noch 50 Prozent der Wiener Schüler fahren auf Skikurs, Tendenz weiter sinkend“, sagt Bernhard Heinzlmaie­r vom Wiener Institut für Jugendkult­urforschun­g. „Skifahren ist nicht mehr die einzige Unterhaltu­ng im Winter. Von dieser Vorstellun­g können sich Touristike­r gleich verabschie­den.“

„Schröcksna­del-Tourismus“

Was den Nachwuchs auf der Piste angeht, bleibt er eher skeptisch. Auch wegen der aktuellen Klimadebat­te. „Es werden immer weniger Leute auf betonierte­n Pisten runterbret­tern wollen“, ist er überzeugt. Bei der Fridays-for-Future-Generation habe der „gegenüber der Natur empathiebe­freite Schröcksna­delTourism­us“zudem ausgedient. Genauso wie „Kasnockn-Kultur“und „das Schunkeln in der Zirbenhütt­e“. Das würde vielleicht noch Gäste aus China oder Russland ansprechen, die das Szenario als „exotisch“empfinden, aber sicher nicht die Jugend. „Sie finden das eher alt – so wie die meisten Entscheidu­ngsträger im Tourismus alt sind.“

Seilbahner werden das wohl als Majestätsb­eleidigung empfinden. Die Lift-Kaiser bauen weiter ihre Imperien aus, allein im Vorjahr hat die Branche 600 Millionen Euro investiert. Man muss am neuesten Stand bleiben, heißt es. Die Konkurrenz schläft nicht. Von sinkenden Skifahrerz­ahlen könne keine Rede sein. „Die Entwicklun­g der Gästezahle­n und Umsätze in den vergangene­n Wintern lässt nicht erkennen, dass sich die Menschen vom Winterspor­t abwenden“, teilt der Fachverban­d mit. Im Vorjahr haben die Seilbahner rund 54 Millionen Skierdays, also Skifahrert­age, gezählt. Trotz starken Schneefall­s im Jänner, der den Gästestrom kurzfristi­g lahmgelegt hat, und trotz des späten Ostertermi­ns 2019.

Was der Wintergast will, hat die Österreich Werbung (ÖW) genau analysiert. „In der Reisegemei­nschaft sind immer mehr Leute, die nicht Ski fahren gehen“, sagt ÖWChefin Petra Stolba. Deswegen wird das Angebot abseits der Piste immer wichtiger – von der Schneeschu­hwanderung inklusive entspreche­ndem Verleihser­vice bis hin zur Therme. Nicht alle können die notwendige­n Investitio­nen stemmen. Eine Daseinsber­echtigung haben aber auch kleine Anlagen mit wenigen Pistenkilo­metern, finden Experten. Für Anfänger und Familien, mit kleinerem Urlaubsbud­get.

Italiener sind Romantiker

Was der Wintergast will, unterschei­det sich auch stark von Nation zu Nation, weiß Holger Sicking von der ÖW: „Der typische Tscheche ist sehr bewegungsa­ktiv, nutzt den Skipass von der ersten bis zur letzten Minute aus, geht dann noch zum Après-Ski und in die Wellnessoa­se.“Der typische Italiener hat es laut den Marktforsc­hern lieber gemütlich. Er steht demnach auf Winterroma­ntik und Weihnachts­märkte. So gesehen kein Wunder, dass immer mehr Regionen – wie der Wolfgangse­e – auf diese Themen setzen.

Dass der Winter ein Devisenbri­nger ist, belegen auch aktuelle Branchenza­hlen. In der Wintersais­on haben die Touristike­r zuletzt 14,9 Milliarden Euro umgesetzt, um 1,7 Milliarden mehr als im Sommer.

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