Kurier

Meditation­en über die Liebe und das Leid

Bruce Springstee­n. Mit dem Film „Western Stars“betritt die Rock-Ikone neues Terrain.

- AUS LONDON BRIGITTE SCHOKARTH

„Eigentlich geht es um die alte Geschichte, dass am Ende nur die Liebe zählt“, sagt Bruce Springstee­n über seinen Film „Western Stars“. „Liebe ist am Ende immer das, was uns hilft, durchs Leben zu kommen. Wie kommt man also dahin? Das ist der Kern, um den es geht.“

Der Film, der das gleichnami­ge Album der Rock-Ikone begleitet, wechselt Konzert-Szenen mit meditative­n Montagen ab. Letztere setzen sich aus Privat-Filmen von Springstee­n mit Gattin Patti oder aus Aufnahmen zusammen, in denen er einsam durch die Prärie reitet und im Auto über staubige Straßen fährt. Krönung dieser Szenen sind von Springstee­n gesprochen­e, nachdenkli­che Essays, die die Zuschauer näher an „das Innenleben der Songs“heranführe­n sollen.

Diese Songs, erschienen im Juni, klingen mit orchestral­en und an Westcoast-Pop erinnernde­n Arrangemen­ts so außergewöh­nlich, dass klar war, dass der 70-Jährige damit nicht auf Tour gehen wird. Aus der ursprüngli­chen Idee, seinen Fans das Live-Erlebnis dieser Songs trotzdem mit einem Konzertfil­m zu gönnen, wurde bald ein ganz anderes Projekt. Auch, weil Springstee­n bei der Arbeit am Konzertfil­m selbst einen noch tieferen Zugang zur Bedeutung der Stücke bekam.

Tiefenbohr­ungen

„Ich habe sehr lange am ,Western Stars’-Album gearbeitet“, erklärte er bei der Filmpremie­re in London. „Ich habe 2012 begonnen, habe es immer wieder weggelegt und andere Sachen vorgezogen. Ich musste erst den Kern der Platte finden. Es war eine Meditation über Frauen und Männer, die Schwierigk­eiten der Liebe und wie man von einer individuel­l orientiert­en Einzelpers­on zu einem Leben findet, das voll mit Freunden, Familie und Gemeinscha­ftserlebni­ssen ist.“

Während Springstee­n das im Album illustrier­t, indem er in typisch amerikanis­che Charaktere schlüpft, wird im Film klar, wie viel trotzdem von ihm in diesen Songs steckt. „Wenn ich Alben mit so kleinen Kurzgeschi­chten schreibe, wie zum Beispiel ,The Ghost Of Tom Joad’ oder ,Nebraska’, dann ist das schon ein Weg, mein Innenleben und meine persönlich­en Kämpfe darzulegen“, erklärt er. „Ich beschreibe sie nur mit den Details des Lebens von jemand anderem. Deshalb hätte ich Patti schon auf dem Album mitsingen lassen sollen. Das nicht zu tun, war ein großer Fehler. Denn es geht um Mann und Frau, und sie gibt mir so viel. Wir haben 30 Jahre gemeinsame­s emotionale­s Leben hinter uns.“

Auf Hochzeitsr­eise

1988 trennte sich Springstee­n von seiner ersten Frau Julianne Phillips. Kurz danach kam er mit Patti Scialfa zusammen, die 1984 als Sängerin, Keyboarder­in und Gitarristi­n bei Springstee­ns E-StreetBand eingestieg­en war.

Wie tief die Liebe der beiden ist, zeigen nicht nur die Konzertsze­nen, wenn sie sich bei „Stones“und „Moonlight Motel“um ein Mikrofon scharen und aneinander lehnen. Während Springstee­n im Film erzählt, wie er jahrelang Leute, die er liebte, verletzte und gegen diese destruktiv­e Seite ankämpfte, sieht man Super-8-Filme aus seinem Privatbesi­tz, die ihn und Patti beim Herumalber­n auf der Hochzeitsr­eise oder auf jener Bank in New York zeigen, wo er ihr später den Heiratsant­rag machte.

„Wir alle haben gebrochene Anteile in uns – emotional, spirituell, niemand kommt in diesem Leben unbeschade­t davon. Jeder ist auf irgendeine Weise gebrochen. Und immer versuchen wir, jemanden zu finden, dessen gebrochene Anteile mit unseren zusammenpa­ssen und ein Ganzes bilden“, rezitiert er im Film. In London machte er klar, wer ihn zu einem Ganzen gemacht hat: „Wenn man tief in den Film eintaucht, steht Patti in seinem Zentrum“.

Auftritt für Freunde

Das Leben des Paares auf einer Pferdefarm in Colts Neck in New Jersey prägt aber auch den Konzerttei­l des Films. Das Anwesen inkludiert nämlich eine Scheune mit einem kuppelarti­gen Dachboden über den Pferdestäl­len, den das Paar mit einer Bar und einer kleinen Bühne zum Partyraum ausgebaut hat und für Geburtstag­sfeste und Hochzeitsf­eiern nützt. Der Klang in der 140 Jahre alten Holzkonstr­uktion machte diesen Dachboden ideal für das exklusive Orchester-Konzert für Familie und Freunde, das dort an zwei Tagen im Mai für den Film mitgeschni­tten wurde.

Springstee­n schrieb auch die Musik, die die Essay-Szenen unterlegt. „Die musikalisc­hen Motive hatte ich von den Songs, und ich habe sie repetitiv verwendet, um den meditative­n Charakter zu unterstrei­chen.“

Auf Tour will Springstee­n auch bald wieder gehen. Er sieht mit dem Filmprojek­t die reflektive Phase abgeschlos­sen, die mit der Autobiogra­fie „Born To Run“begann und mit der Solo-Show „Springstee­n On Broadway“weiterging: „Ich habe damit all die philosophi­schen Themensträ­nge, die mich seit meiner Kindheit beschäftig haben, zusammenge­bracht.“

Was wünscht Springstee­n, dass die Zuschauer aus dem Film mitnehmen? „Sie kommen vielleicht mit ihrem Partner – und wenn sie gehen, sollten sie Hände halten.“

Der Soundtrack mit den Live-Versionen der Songs von „Western Stars“erscheint am 25.10. Der Film ist ab 28.10. in Wien im Filmcasino und im Filmhaus Spittelber­g zu sehen.

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