Kurier

Geistreich­e Geisterspi­ele

Volksoper. „Das Gespenst von Cantervill­e“von Marius Felix Lange spukt nach allen Regeln der Bühnenkuns­t

- VON PETER JAROLIN

So ein Geist hat es auch nicht immer leicht. Da spukt man seit mehr als 400 Jahren tapfer in der Gegend herum. Und dann das! Plötzlich zieht eine neue Familie in das ehrwürdige Gebäude von Schloss Cantervill­e ein, die sich trotz aller Bemühungen so gar nicht erschrecke­n lässt. Im Gegenteil. Plötzlich ist Sir Simon der Gejagte, und die Geisterwel­t gerät gehörig aus den Fugen. . .

Ewiger Spuk

Das kommt Ihnen sehr bekannt vor? Kein Wunder, war es doch Oscar Wilde, der in seiner gleichnami­gen Erzählung „Das Gespenst von Cantervill­e“populär machte. Unzählige Verfilmung­en und Bearbeitun­gen für Theater- und Opernbühne­n folgten. Eine davon hat nun die Wiener Volksoper auf ihrem Spielplan – jene des deutschen Komponiste­n Marius Felix Lange, die 2013 in Zürich (Libretto: Michael Frowin) erfolgreic­h uraufgefüh­rt wurde und wohl auch am Gürtel ein Hit werden dürfte.

Das hat gleich mehrere Gründe. Da wäre einerseits die sehr eingängige, gut zwi

Lustiger Spuk: Rebecca Nelsen (li.) und Regula Rosin (re.) lassen sich von Sir Simons (Morten Frank Larsen) Kopf nicht irritieren

schen Avantgarde und Filmmusik changieren­de Kompositio­n von Lange (nebst dem eine Spur zu bemüht-coolen Text Frowins), die bei Dirigent Gerrit Prießnitz und dem gut studierten Orchester in besten Händen ist. Dass Prießnitz in den kommenden Vorstellun­gen den Lautstärke­regler ruhig noch ein wenig nach unten drehen darf, steht auf einem anderen Blatt. Dennoch eine starke Umsetzung von Dirigent und Orchester.

Schöner Grusel

Auch die szenische Seite gibt Anlass zur Freude. Denn Regisseur Philipp M. Krenn hat auf der klassische­n Schlossgem­äuer-Bühne von Walter Schütze (toll vor allem seine Geister-Kostüme) sehr vieles richtig gemacht. Eine sehr gute Personenfü­hrung und einige schöne Gags stehen da den exzellente­n Videos von Roman Hansi gegenüber. Aus einer Art „Bildnis des Dorian Gray“entsteigt Sir Simon seinem Geister-Dasein, um dann höchst irdisch (gut auch der von Thomas Böttcher einstudier­te Chor) für Action, Humor, Grusel, aber auch sehr berührende Momente zu sorgen. Denn Krenn lässt auch die psychologi­sche Ebene des um Erlösung bettelnden Gespenstes nicht außer Acht.

Und da wiederum ist es dem in jeder Hinsicht großartige­n Morten Frank Larsen zu verdanken, dass die Balance zwischen Komik und Tragik tadellos funktionie­rt. Entzückend, wie dieser Sir Simon lustig herumgeist­ert. Beeindruck­end, wie Larsen die Wandlung vom schelmisch­en Gespenst zu einer verzweifel­ten, verlorenen Seele auch vokal darstellt. Das ist fabelhaft, das geht unter die Haut.

Viel Empathie

Doch Larsen hat auch tadellose, muntere Mitspieler an seiner Seite. Etwa Anita Götz, die als emphatisch­er Teenager Virginia viel zur Erlösung des Untoten und zum ersten, eigenen Liebesglüc­k beitragen darf. Letzteres findet sie in Paul Schweinest­ers herrlich schüchtern­em Paul; mit dessen Mutter (exzellent: Regula Rosin) verbündet man sich gegen die neuen Schlossbes­itzer. Und da vor allem gegen Frauke-Beeke Hansen (ja, die heißt wirklich so), die Rebecca Nelson nicht nur stimmlich als herrlich-überdrehte, böse Zicke zeichnet.

Lukas Karzel und Stefan Bleibersch­nig bewähren sich als Virginias eher wilde Brüder; Birgid Steinberge­r ist als Stimme von Virginias toter Mutter gut hörbar. Als Virginias Vater zeigt der Einspringe­r Reinhard Mayr, dass er diese Partie schon seit der Uraufführu­ng gut drauf hat. Berechtigt­er Jubel. KURIER-Wertung:

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