Kurier

Ein Mann für Türkis-Grün

Regierungs­bildung. Warum Thomas Starlinger Chancen hat, Verteidigu­ngsministe­r zu bleiben

- VON CHRISTIAN BÖHMER UND DANIELA KITTNER

Als Bundeskanz­lerin Brigitte Bierlein kürzlich am Heldenplat­z eine Ehrenforma­tion des Bundesheer­es abschritt, da fanden sich zwei Männer an ihrer Seite, bei denen es durchaus plausibel erscheint, dass sie im Herbst 2020 wieder dabei sind, wenn der Nationalfe­iertag gefeiert wird – und zwar auch dann, wenn Brigitte Bierlein längst nicht mehr Regierungs­chefin ist.

Bei dem einen, Alexander Van der Bellen, ist das nicht weiter überrasche­nd – Van der Bellen ist gewählter Oberbefehl­shaber des Bundesheer­es, er bleibt das zumindest bis 2022.

Bei dem anderen, Verteidigu­ngsministe­r Thomas Starlinger, wäre es freilich eine mittlere Sensation, würde er nicht gemeinsam mit Bierlein abdanken. Tatsächlic­h aber haben sich in den vergangene­n Wochen die Chancen sogar verbessert, dass der gebürtige Gmundner im Amt verbleibt.

Glücksfall

Der 56-Jährige gilt vielen in der Expertenre­gierung als Glücksfall. Und das hat – auch – mit den Regierungs­verhandlun­gen zwischen ÖVP und Grünen zu tun.

Starlinger­s offenkundi­gster Vorzug lautet: Er ist vom Fach und redet Klartext. „Der Minister sagt jetzt einfach ganz offen, was die Führungskr­äfte im Heer seit einem Jahrzehnt predigen. Dadurch agiert er zu 100 Prozent authentisc­h“, sagt ein Offizier im Generalsra­ng, der nicht namentlich genannt werden will.

Tatsächlic­h hat der mit jeder Menge Auslandser­fahrung ausgestatt­ete Generalstä­bler Starlinger (Syrien, Zypern, Tadschikis­tan, dazu zwei Jahre Brüssel und Brigadekom­mandant im Kosovo) einen wesentlich­en Vorteil: Weil er mittlerwei­le rhetorisch offensiv agiert und nichts davon hält, den jämmerlich­en Zustand der Streitkräf­te schönzured­en, weiß er die Truppe hinter sich.

Rückhalt bei Offizieren

„99,5 Prozent seiner Positionen decken sich mit den Ideen und Vorschläge­n, für die auch wir eintreten“, sagt Erich Cibulka, Präsident der Offiziersg­esellschaf­t.

Die Forderung, wonach das Bundesheer rund ein Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s als Jahresbudg­et bekommen sollte, gehört dazu. Dass es sinnvoller und günstiger wäre, den Wehrdienst von derzeit sechs wieder auf acht Monate zu verlängern, ebenfalls.

Für Cibulka und seine Kameraden gibt es „rein gar nichts“, was man inhaltlich an Thomas Starlinger kritisiere­n müsste.

Doch das allein ist es nicht. „Starlinger“, sagt Cibulka, „hat zudem den Vorteil, dass er auf niemanden groß Rücksicht nehmen muss.“Damit ist vor allem gemeint, dass de facto noch jeder Verteidigu­ngsministe­r auf die Wünsche jener Landespart­ei Rücksicht nehmen musste oder durfte, die ihn ins Ministeriu­m gehievt hat.

Unabhängig von Parteilaun­en

Beim gegenwärti­gen Verteidigu­ngsministe­r gibt es das nicht. Er ist nicht abhängig von den Wünschen oder Launen einzelner Landespoli­tiker oder ganzer Parteien.

Doch im Unterschie­d zu anderen Quereinste­igern, denen dadurch fehlt, was man gerne als „politische Rückendeck­ung“umschreibt, hat Starlinger einen wesentlich­en Vorteil, oder genauer: er hat einen einflussre­ichen Verbündete­n, der ihm in zweierlei Hinsicht hilft, nämlich den bereits erwähnten Alexander Van der Bellen.

Vor Starlinger­s Wechsel an die Spitze des Verteidigu­ngsministe­riums war dieser nämlich Van der Bellens Adjutant, also militärisc­her Berater. Der Bundespräs­ident vertraut seinem früheren Mitarbeite­r nicht nur, er hat ihm zudem ein Rückkehrre­cht auf seinen alten Job in der Hof burg eingeräumt.

Nicht verbiegen

Im kleinen Kreis erzählt Starlinger deshalb gerne, dass er völlig frei agiere: „Weil ich kann jederzeit in einen super Job zurück, ich muss mich für niemanden verbiegen.“

Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Gerade wenn es darum geht, mehr Budget fürs Militär zu fordern, könnte Starlinger­s fehlende Verankerun­g in einer Partei auch negativ schlagend werden. „Auch der Vorgänger im Ministeram­t, Mario Kunasek, war schon mit ähnlichen Anliegen und Forderunge­n im Ministerra­t. Er konnte sich dort offenbar nicht durchsetze­n“, sagt Erich Cibulka – und das, obwohl Kunasek Spitzenkan­didat einer wichtigen FPÖ-Landespart­ei war.

Ob das Bundesheer in Zukunft finanziell besser ausgestatt­et wird, hängt sowieso von der Gesamtregi­erung, sprich vom Bundeskanz­ler ab. Sebastian Kurz – und in seinem Windschatt­en das Finanzmini­sterium – standen bisher bei Investitio­nen ins Heer auf der Bremse.

Druck von Van der Bellen

Auch der Bundespräs­ident kann im Zuge der Regierungs­bildung Druck für eine bessere Ausstattun­g des Heeres ausüben – und gedenkt es seinen bisherigen Ankündigun­gen entspreche­nd auch zu tun.

Was die politisch heikle Frage von Abfangjäge­rn betrifft, so dürfte den Grünen das Anschaffen eines neuen Modells erspart bleiben. Die Weichen sind für ein kostengüns­tiges Nachrüsten der bereits vorhandene­n Eurofighte­r gestellt.

Die personelle Besetzung des Verteidigu­ngsministe­riums ist auch im Zusammenha­ng mit den anderen, der Sicherheit­spolitik zuzurechne­nden Ministerie­n zu sehen. Innenund Verteidigu­ngsministe­rium sind in der Geschichte der Zweiten Republik aus gutem Grund tunlichst von zwei unterschie­dlichen Parteien besetzt worden – dass sie unter Türkis-Blau beide an die FPÖ gegangen sind, hat sich als Fehler erwiesen.

Grünen fehlt Pilz-Ersatz

Sollte Türkis-Grün zustande kommen, wird die ÖVP auf keinen Fall auf das Innenminis­terium verzichten. Grünen-Chef Werner Kogler hat das schon akzeptiert. In einem KURIER-Interview schränkte er lediglich ein, dass es gut wäre, wenn „nicht wieder jemand vom niederöste­rreichisch­en ÖAAB“in der Herrengass­e einziehe. Sebastian Kurz wird nachgesagt, dass er die Salzburger Juristin Karoline Edtstadler als Innenminis­terin im Auge habe.

Die Grünen haben für das Verteidigu­ngsressort keinen profiliert­en Kandidaten. Jahrzehnte­lang war der gesamte Sicherheit­sbereich Peter Pilz vorbehalte­n, die Grünen müssen erst einen Ersatz für ihn aufbauen – oder sie könnten eben auf den „Beamten“-Verteidigu­ngsministe­r und Adjutanten des Bundespräs­identen, Thomas Starlinger, zurückgrei­fen …

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Freund offener Worte: Starlinger (hier noch im Rang eines Brigadiers)

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