Kurier

Reise ins Glück, mit Curry im Gepäck

„Indian Pavilion“. Nach 23 Jahren schließt das kleine, indische Restaurant am Naschmarkt für immer

- VON ANITA KATTINGER

Eine Prise Kardamom, ein Löffelchen Zimt und der Duft von Zitrone – wenn eine Linsensupp­e glücklich macht, dann jene von Ashok und Sonia Chandihok. An grauen Herbsttage­n sollte es für jeden Wiener eine große Portion auf Rezept geben.

Seit August 1996 hat sich der kleinste Inder Wiens nicht verändert: Gleich neben der Pflanzen-Ecke stehen Bildbände über Indien, gegenüber beobachten Puppen und Götter des Subkontine­nts das Kommen und Gehen der Gäste. Auf den wenigen holzvertäf­elten Quadratmet­ern haben gerade einmal neun Gäste Platz – damals wie heute. In wenigen Tagen wird der oft als „bestes indisches Restaurant Wiens“titulierte „Indian Pavilion“für immer seine Türe schließen.

Ashok Chandihok erwartet seinen Pensionsbe­scheid genauso wie seinen 65. Geburtstag sehnsüchti­g dieser Tage, Sonia – junge 60 Jahre alt – wird ihren erst in einigen Wochen erhalten.

Literarisc­hes Denkmal

Als das Ehepaar vor 23 Jahren am Naschmarkt eröffnete, ging es ein hohes Risiko ein: Die Gastronome­n wählten familienfr­eundliche Öffnungsze­iten (Stand 74, Mo.–Fr. 11–18.30 Uhr, Sa. 11–17 Uhr) und sperrten abends zu, um die beiden kleinen Töchter (heute 27 und 32) ins Bett bringen zu können. „Wir wollten weniger Stress, mehr Zeit für die Familie, aber auch auf Qualität und Gäste achten. Mit einem großen Restaurant hätten wir das nicht tun können“, erzählt Herr Ashok.

Und so konnte das Ehepaar, das seit 37 Jahren glücklich verheirate­t ist, rege Konversati­on mit seinen Gästen führen – das Chicken Korma sollte die liebste Speise der Wiener werden. Politiker, Schauspiel­er und Sportler suchten regelmäßig den kleinen Stand auf. „Es wäre unhöflich, einen prominente­n Stammgast hervorzuhe­ben, aber wenn wir einen nennen müssten, dann muss es Thomas Glavinic sein.“Der Wiener Schriftste­ller setzte Familie Chandihok im Roman „Das bin doch ich“vor vielen Jahren ein literarisc­hes Denkmal.

Reise durch Europa

Dabei wurde Herr Ashok, Absolvent einer Tourismusf­achhochsch­ule, durch Zufall Wiener Gastronom. Auf Reisen durch Europa hatte er sich, damals Manager in 5-Sterne-Hotels, in die Stadt verliebt. Auf einem Heimurlaub in Neu Dehli lernte er Sonia kennen – nach einem intensiven Briefwechs­el wanderte die Lehrerin für Englisch und Mathematik schließlic­h 1982 nach Österreich aus und zeigte das gleiche Talent für die facettenre­iche, indische Küche.

Aber was ist das Geheimnis des perfekten Currys? Ashok und Sonia schauen einander an: „Ein Gespür für Gewürze muss man haben. Es darf nie ein Aroma dominieren.“Für Wien hat Familie Chandihok die Rezepte minimal abgeändert. Und wie genau? Wieder schaut sich das Paar an: „Wir haben das Chili weggelasse­n. Würzig, aber nicht scharf soll das Curry sein. Und niemals fertige Pasten verwenden.“

Dem Ehepaar fiel seine Entscheidu­ng nicht leicht: „Wir wollen die letzte Phase des Lebens genießen und reisen. Seit der Eröffnung hatten wir jedes Jahr nur ein bis zwei Wochen Urlaub und wir waren immer nur in Europa.“Wohin soll es gehen? „Ein Traum ist Südamerika.“

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Ashok und Sonia Chandihok warten nur noch auf den Pensionsbe­scheid – bereits jetzt verabschie­den sie sich von den Stammgäste­n

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