Den letzten Blick ermöglichen
Sein Arbeitsplatz ist dort, wo andere das Gruseln bekommen: Im einem Keller am Wiener Zentralfriedhof. Vorbei an Kühlkammern, in denen die Toten in ihren Särgen auf die Beerdigung warten, geht es in den Raum, der mit Präparationstischen wie in einem OP-Saal ausgestattet ist. Angst hat Andreas Nevrivy trotzdem nicht.
Der 35-Jährige ist einer von fünf Thanatopraktikern der Bestattung Wien. Die Experten verlangsamen den Verwesungsprozess und richten die Toten wieder her, sodass sich ihre Angehörigen am offenen Sarg verabschieden können. Dazu gehören neben dem Einbalsamieren auch das Verdecken von Wunden und das Schminken. „Man darf es nicht nur als Arbeit betrachten. Man will den Angehörigen den letzten Blick ermöglichen“, beschreibt Nevrivy den Job, der eine einjährige Ausbildung verlangt. Bis zu sechs Stunden dauert die Prozedur. Danach soll der Tote wirken, als schlafe er. „Dass er noch einmal so aussieht, wie zu Lebzeiten“, sei sein Ansporn, sagt der 35-Jährige, der seinen Job „mit nichts anderem tauschen“würde. Dabei war Nevrivy Zuckerbäcker, ehe er vor zehn Jahren zum Bestattungsgewerbe kam.
Wie geht man mit dem Tod um? „Man darf das nicht an sich ranlassen.“Zum Glück hätte er noch kein Kind behandeln müssen. Ausgleich findet er bei seinem Nachwuchs und Judo. Das ist wichtig, denn der Beruf ist anstrengend. „Manchmal, wenn man sechs Stunden arbeitet, sieht man Dinge. Da fragt man sich, hat sich der Fuß bewegt?“Das sei der Konzentration geschuldet. „Du darfst dir keinen Fehler erlauben.“
Im Keller am Zentralfriedhof kümmert sich Andreas Nevrivy um die Toten