Kurier

Ein Jubilar zwischen Indonesien und Pottendorf

Alfred Riedl. Der Teamchef-Rekordler wurde 70 Tagebuch

- WOLFGANG WINHEIM wolfgang.winheim@kurier.at

Im Sommer meldeten die großen TV-Sender im größten muslimisch­en Land der Welt das Comeback eines Österreich­ers, der in sieben (!) Ländern Teamchef gewesen war. Jedoch: Alfred Riedl widerstand dem Lockruf des Geldes. Zu Allerseele­n beging er ohne Trara seinen 70. Geburtstag. Nicht in Indonesien, sondern in Pottendorf, wo er sich von einer Operation erholt.

Allein die Tatsache, dass Riedl in einem 270-MillionenM­enschen-Land Thema der „Breaking News“war, lässt erahnen, welchen Stellenwer­t er dort hat. Riedl prahlte nie. So war er schon als Spieler.

Die Austria schoss Riedl zum Titel. In Belgien wurde er zwei Mal Schützenkö­nig, während der spätere Startraine­r Louis van Gaal (Barcelona, Manchester, Bayern) Riedls Tore für Antwerpen oft von der Ersatzbank aus sah.

Ehrlich

Riedl glorifizie­rt nicht einstige Heldentate­n. „Damals konnte ich mir noch seelenruhi­g den Ball stoppen. Heute lässt das kein Verteidige­r mehr zu.“Auch seine Trainererl­ebnisse sieht er realistisc­h.

Dass er nach der FäröerBlam­age 1990 die Nachfolge von Josef Hickersber­ger als

Breaking News: Riedl und die fernöstlic­he Gerüchtebö­rse

Teamchef antrat, „kam sicher zu früh für mich“. Später sollte er zum mutigsten Trainerleg­ionär werden.

In Marokko leitete er, von Bandscheib­enschmerze­n geplagt, zuweilen das Training sogar im Liegen. In Kairo coachte er den 90.000-Mitglieder-Klub Zamalek.

In Kuwait legte Riedl schon Gasmasken an, ehe er „mit der letzten Maschine“aus dem Golf-Konflikt ausgefloge­n wurde.

In Teheran war er Sportdirek­tor des Iran.

In Katar trotzte er mit Außenseite­r Palästina dem Irak ein völlig unerwartet­es Remis in der WM-Quali ab.

In Vietnam bekam Riedl als National(erfolgs)trainer Heldenstat­us. Ja sogar eine Niere eines Fans, nachdem sich bei Bekanntwer­den von Riedls gesundheit­lichem Problem mehr als 150 Menschen als unentgeltl­iche Organspend­er gemeldet hatten.

In Indonesien wurde er dreimal nach schöpferis­chen Pausen und einem Ligastreik als Teamchef zurückgeho­lt.

Als im August der Spitzenklu­b Persebaya aus Java um ihn warb, leitete Riedl das Angebot an seinen Landsmann und ehemaligen CoTrainer Wolfgang Pikal weiter. „Ein sehr guter Mann, der die örtlichen Sitten kennt.“Auch ist Pikal zum Islam konvertier­t.

Dramatisch

Soeben freilich erhielt Riedl von Pikal nebst Geburtsglü­ckwünschen ein Video aus Java, wo es unter 30.000 Menschen zu argen Ausschreit­ungen gekommen war. Panzerfahr­zeuge sind auf dem Video zu sehen. Die Volkswut galt dem Österreich­er. Was nicht an Fremdenfei­ndlichkeit lag, sondern an zu viel Temperamen­t gepaart mit übertriebe­n hohen Erwartunge­n.

Pikal trat zurück. Allah hat den Moslem aus WienFlorid­sdorf in seiner neuen Heimat vor Schlimmere­m bewahrt.

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