Kurier

Wer sind die GRUNEN?

Neue Regierungs­partei? Die Grünen sind zum Sprung auf die Regierungs­bank bereit. Das wäre auf Bundeseben­e eine Premiere. Aber was blüht uns dann alles von den Ökos?

- VON B. GAUL UND R. LINDORFER

Die Grünen sind in unterschie­dliche Lager gespalten, sie streiten nur, sind grundsätzl­ich Spaßbremse­n und eine Verbotspar­tei. Natürlich wollen sie auch das Bundesheer abschaffen, die Polizei entwaffnen, Haschtrafi­ken öffnen, Autofahrer schikanier­en und Fleisch abschaffen. Stattdesse­n werden nur noch Bio-Körndln serviert. Und das morgens, mittags und abends.

Das sind freilich Zuschreibu­ngen des politische­n Gegners. Ganz falsch sind sie aber nicht, und das wissen auch die Grünen.

Diese Woche war für die Ökopartei eine der spannendst­en ihrer kurzen Geschichte. Erst zum zweiten Mal seit ihren parteipoli­tischen Anfängen in den 1980er Jahren können sie über eine realistisc­he Regierungs­beteiligun­g auf Bundeseben­e nachdenken. Auch wenn Fragen, ob sie überhaupt verhandeln werden und wie Verhandlun­gen ausgehen könnten, zur Stunde ungewiss sind.

Logisch wäre eine Regierungs­beteiligun­g schon, und das hat viel mit ihrer Geschichte zu tun.

Ein – grünes – Umweltbewu­sstsein gab es bis Ende der 1960er Jahre in kaum einem Land. Doch aberwitzig­e Großbaupro­jekte wie auch die zunehmende industriel­le Luftversch­mutzung führten in den 1970er Jahren immer wieder zur Gründung von Bürgerinit­iativen – und einem neuen, grüneren Bewusstsei­n in der Bevölkerun­g.

Erste echte Höhepunkte waren die Volksabsti­mmung über das AKW Zwentendor­f 1978 und die heute legendäre Besetzung der Stopfenreu­ther Au Anfang der 1980er Jahre gegen das Donaukraft­werk bei Hainburg. Das war auch der Beginn eines jahrelange­n Flügelkamp­fes bei den Grünen zwischen der linken „Alternativ­e Liste Österreich­s“ (ALÖ) und der bürgerlich-konservati­ven Partei „Vereinte Grüne Österreich­s“(VGÖ). Es sollten diverse Splittergr­uppen folgen – und daher kommt der Anti-Grün-Mythos, wonach diese nur streiten. Erstmals in ein Länderparl­ament schafften es Grüne in der Steiermark im September 1986, kurz danach gelang im November 1986 mit knappen 4,8 Prozent auch der Einzug in den Nationalra­t – damals unter Freda Meissner-Blau (verstorben 2015).

Die 1990er Jahre verliefen einigermaß­en turbulent. Gleich 1990 fiel etwa der folgenschw­ere Satz der damaligen Grün-Funktionär­in Sonja

Puntscher Riekmann über einen Benzinprei­s von 24 Schilling pro Liter (um auch die volkswirts­chaftliche­n Kosten einzurechn­en), den sie selbst als „rhetorisch­es Ungeschick“bezeichnet­e. Damals wurde intern auch viel diskutiert, ob die Grünen mehr oder weniger aggressiv und radikal auftreten sollen. Ungelöst, wenn auch aktuell nicht präsent, ist bis heute die Frage über die politische Stoßrichtu­ng – nach links oder rechts. Wobei bis heute die Grünen im Westen als bürgerlich gelten und sie mit jedem Kilometer Richtung Osten als zunehmend links empfunden werden. Nicht nur von anderen Parteien, auch intern.

Erst unter Alexander Van der Bellen (von 1996 bis 2008) gelang der Imagewande­l zu einer staatstrag­enden Partei. Das Image als Spaßbremse oder Verbotspar­tei (Tempolimit­s auf Autobahnen, innerstädt­isches Autofahren, Fleischess­en, Flugreisen) ist geblieben, geändert hat sich aber die Einstellun­g der Bevölkerun­g zu diesen klimarelev­anten Themen.

Skandalfre­i

Van der Bellen verfehlte 2003 den Sprung in die Bundesregi­erung, in den Ländern waren die Grünen aber auf dem Vormarsch: Die Regierungs­zusammenar­beit mit der ÖVP in Oberösterr­eich, Vorarlberg, Salzburg und Tirol bzw. mit der SPÖ in Wien verlief erstaunlic­h harmonisch und skandalfre­i. Jetzt der neue Anlauf im Bund – und das ausgerechn­et mit den Türkisen, die Kogler im Wahlkampf massiv attackiert hat („Schnöseltr­uppe“etc). Was ist da zu erwarten?

Beim Umweltschu­tz und Klimaschut­z müssen sie liefern – diese Themen waren für ihre Klientel das Haupt-Wahlmotiv. Versproche­n hat Parteichef Werner Kogler noch am Wahlabend ein umfassende­s Transparen­z-Paket und Maßnahmen gegen Kinderarmu­t. Wenn die ÖVP an ihrem Mitte-Rechts-Kurs, den sie mit der FPÖ gefahren ist, festhält, wird es für die Grünen eng. Sie haben schließlic­h einen Ruf zu verlieren. Stichwort: saubere Umwelt, saubere Politik, sauberes Gewissen. Auch intern dürfte das zur Nagelprobe werden. Wieder einmal.

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