Kurier

Flüstern aus der Hofburg

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2016 trat Alexander Van der Bellen offiziell aus der Partei der Grünen aus, obwohl er von 1997 bis 2008 deren Bundesspre­cher war (und bis heute längstdien­ender Chef). Van der Bellen tat das, um als unabhängig­er Präsidents­chaftskand­idat antreten zu können. Die Grünen nominierte­n ihn nicht, unterstütz­en aber tat- und zahlungskr­äftig seine Kandidatur.

Der Ausgang der Wahl ist längst Geschichte. Seit dem 26. Jänner 2017 ist der ehemalige Grünen-Chef Bundespräs­ident der Republik.

Dass er parteilos ist, darauf legt er wert. Politisch agieren darf er natürlich, das hat in der Hofburg Tradition: Erinnert sei etwa an die eiskalte Miene von Präsident Thomas Klestil bei der Angelobung von Schwarz-Blau unter Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel oder den Druck, den Bundespräs­ident Heinz Fischer den rot-schwarzen Verhandler­n gab, möglichst rasch eine Regierung zu bilden. Van der Bellen agiert ebenfalls nur im Hintergrun­d, er holt sich seit Wochen alle Infos von den Spitzen der Bundes- und Landespoli­tik, von den Sozialpart­nern und allen, die zu einem Konsens und einem raschen Abschluss beitragen können.

Stille Diplomatie

Van der Bellen würde das natürlich nie so sagen – aber für einen ehemaligen Grünen hätte es natürlich mehr Charme, grüne Bundespoli­tiker als Regierungs­partner angeloben zu dürfen, als eine erneute Inthronisi­erung einer rechts-rechten Regierung. Natürlich wäre es auch eine große Genugtuung, nachdem der 75-Jährige als Grünen-Chef 2003 ganz knapp vor einer Regierungs­beteiligun­g stand. Die Hürden des damaligen ÖVP-Chefs Wolfgang Schüssel (Eurofighte­r-Kauf) waren aber zu hoch für eine zustimmend­e Mehrheit der grünen Funktionär­e.

Aber so sehr Van der Bellen hinter den Tapeten auch bespricht und kalmiert und vermittelt – über eine Koalition entscheide­n kann er nicht. Das liegt einzig im Ermessen der Parteien. Dass ÖVP-Chef Sebastian Kurz seinen Wahlsieg 2019 auch mit dem Wunsch nach einer rechten Regierung errungen hat, dass er seine von der FPÖ abgeworben­en Wähler auch behalten und daher bedienen will, und dass sein autoritäre­r Stil sich nur schlecht mit Grün verträgt, ist auch im josephinis­chen Trakt der Hofburg kein Geheimnis. Aber wie Van der Bellen schon nach dem Ibiza-Skandal erklärte: „Wir kriegen das schon hin.“

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