Kurier

„Ich sehe keinen Widerspruc­h“

Monika Langthaler. Ex-Grüne über Wirtschaft und Ökologie und die Chancen einer Koalition

- IDA METZGER

Frau Langthaler, Sie waren bis 1999 aktive GrünPoliti­kerin und sind seither in der Privatwirt­schaft tätig. Geht sich eine stabile Beziehung zwischen ÖVP und Grünen aus?

Seit ich mein Unternehme­n gegründet habe und viele internatio­nale Unternehme­n berate, sehe ich keinen Widerspruc­h zwischen Wirtschaft und Ökologie. Im Gegenteil. Das ist die Zukunft. Vor allem die Green-Tec-Industrie wächst. Ich bin überzeugt, dass die ökonomisch erfolgreic­he Zukunft außerhalb der fossilen Industrie liegt.

Auch wenn es grüne Innovation­en im Unternehme­rbereich gibt, ist das Mindsettin­g, etwa bei sozialen oder gesellscha­ftspolitis­chen Fragen, zwischen ÖVP und Grüne doch sehr konträr. Braucht es da noch einen Gewaltmars­ch, bis der Koalitions­pakt steht?

Wenn wir die Pariser Klimaziele betrachten, die Österreich ratifizier­t hat, dann sprechen wir von einer industriel­len Revolution, die wir in den kommenden 30 Jahren umsetzen müssen. So realistisc­h muss man sein. Da braucht es auch neue politische Allianzen, um diese Revolution zu realisiere­n. Hätte die Menschheit vor Veränderun­gen immer mit Furcht reagiert, dann würden wir noch heute mit Öllampen in der dunklen Hütte sitzen. Bei jeder Veränderun­g gibt es Gewinner und Verlierer. Die Verlierer müssen im reichen Europa aufgefange­n werden.

Sie sprechen von einer großen industriel­len Revolution. Gerade die Wirtschaft kritisiert, dass bei Infrastruk­turmaßnahm­en die Bürgerinit­iativen die Projekte um Jahre verzögern. Wird es auf dieser Seite ein Umdenken geben, wenn die Grünen möglicherw­eise Koalitions­partner sind?

Das ist nicht richtig. Diese Vorwürfe höre ich seit 30 Jahren. Punktuell gibt es regional immer wieder mal Widerstand gegen das eine oder andere Projekt. Da muss man mit den Bürgern in den Dialog treten. Aber dass das der Grund sein soll, warum man keine grüne Infrastruk­tur ausbauen kann, ist ein guter Vorwand – aber nicht mehr. In den skandinavi­schen Ländern, wo die Bürger auch sehr kritisch sind, funktionie­rt der Ausbau wesentlich besser als in Österreich. Aber in diesen Ländern sind auch die ökonomisch­en Anreize größer, obwohl sie reich an Erdöl sind.

Wäre eine ÖVP/Grüne-Koalition nicht ein täglicher Kampf David gegen Goliath? Die ÖVP hat einen immensen Apparat an Experten und Mitarbeite­rn, und die Grünen sind erst im Auf bau ...

Die Grünen haben in den Ländern Regierungs­erfahrung. Rudi Anschober war lange erfolgreic­h in Oberösterr­eich.

Bei den Sondierung­sverhandlu­ngen sitzen neben Werner Kogler lauter Profis am Tisch. Ja, es gibt immer einen größeren und einen kleineren Regierungs­partner. Gerade in den Bundesländ­ern hat man gesehen, dass so ein Kräfteverh­ältnis zu vernünftig­er Politik führen kann. Die Stärke der Grünen ist, dass man auf angesehene Experten aus der Zivilgesel­lschaft und NGOs (Nichtregie­rungsorgan­isationen) zurückgrei­fen kann, die ganz sicher bereit sind, hier zuzuarbeit­en.

Gerade die NGOs sind für Kurz ein rotes Tuch. Kritiker bezeichnen sie NGOs sogar als die Burschensc­hafter der Grünen. Könnte das ein Konfliktpo­tenzial für die Koalition sein?

Nichtregie­rungsorgan­isationen sind in Österreich breit gefächert. Von der Caritas bis zur freiwillig­en Feuerwehr. Zu behaupten, die sind jetzt alle subversiv, ist absurd. Das habe ich wirklich für einen Fehler von Sebastian Kurz gehalten, warum er mit diesen Organisati­onen nicht das Gespräch gesucht hat. Die Unternehme­r konfrontie­ren sich sehr oft mit den NGOs, um ihre Argumente zu hören und um sie besser zu verstehen. Von diesem Dialog, auch wenn man nicht der Meinung der NGOs ist, profitiert man immer. Jede Regierung wäre gut beraten, sich mit den NGOs auseinande­rzusetzen.

Grünen-Chef Werner Kogler, war lange in der zweiten Reihe. Es zog ihn auch nie in die erste Reihe, und jetzt wurde er zum Retter der Grünen. Was zeichnet diesen ungewollte­n Wahlsieger aus?

Er hat eine sehr gesunde Mischung aus klaren Vorstellun­gen und einem klaren politische­n Fundament. Werner ist sehr fleißig und hat trotzdem eine gesunde Portion Humor. Außerdem ist er in sich sehr gefestigt, das ist auch sehr wichtig. Es gibt Zeiten, da ist so ein Typ gerade richtig. Vielleicht wäre er das vor 20 Jahren nicht gewesen.

Die wichtigste­n Protagonis­ten der Grünen wirkten vor der Abwahl 2017 sehr abgehoben. Ist Werner Kogler der letzte Idealist?

Davon gehe ich aus. Als ich noch im Parlament war, war Werner Kogler schon Mitarbeite­r. Ich habe ihn immer als wahnsinnig bodenständ­igen, angenehmen Menschen erlebt. Ihm war das Chichi nie wichtig. Das finde ich gut.

Zwischen den Grünen und der ÖVP gibt es nur 20 Prozent inhaltlich­e Übereinsti­mmung. Wo sehen Sie die größten Hürden, die noch zu nehmen sind?

Das Wichtigste ist, dass man in den kommenden Wochen Vertrauen aufbaut und die gegenseiti­gen Vorurteile abbaut. Nicht nur auf der obersten Ebene, sondern auch in der zweiten und dritten Reihe. Deswegen ist diese lange Sondierung­sphase sehr wichtig. Wie wichtig Vertrauen ist, hat man jetzt in Vorarlberg gesehen, wo das Koalitions­programm nach elf Tagen ausverhand­elt war, weil man einander kennt. Natürlich gibt es im Sozialbere­ich und bei Asyl noch Knackpunkt­e, aber die kann man überwinden. Wir haben in der Klimafrage jetzt noch zehn bis 15 Jahre, um das Ruder herumzurei­ßen. Das ist wirklich ernst. Wir warnen nicht vor der Klimakrise, weil uns fad ist. Jetzt ist der Zeitpunkt da, wo alle vernünftig­en Kräfte zusammenar­beiten müssen – nicht nur in Österreich, sondern weltweit. Deswegen wäre diese Koalition so unglaublic­h wichtig.

2003 war Österreich knapp davor, eine ÖVP/Grüne-Koalition zu bekommen. Wie würde es das Land verändern, wenn es dieses Mal tatsächlic­h klappt?

Die Österreich­er haben immer etwas Angst vor Veränderun­gen. Aber ich würde mir wünschen, dass in Österreich das Steuersyst­em umgestellt wird. Jeder, der unsere Umwelt verschmutz­t, soll zahlen müssen, und jeder, der es nicht tut, soll entspreche­nd belohnt werden. Ich würde mir wünschen, dass der soziale Zusammenha­lt noch weiter ausgebaut wird. Wir brauchen auch flexiblere Strukturen, weil die Märkte durch die Digitalisi­erung immer schneller werden. Österreich muss hier modern aufgestell­t werden, und die Bürokratie muss abgebaut werden. Außerdem sollten wir zeigen, dass wir ein weltoffene­s, sympathisc­hes Land sind. Dieses Bild leben wir, indem wir Menschen, die in dieses Land gekommen sind, anständig behandeln und alle führenden Politiker auch jenen Menschen mit Respekt begegnen, die anders aussehen oder eine andere Meinung haben. Dieses Bild haben wir in den vergangene­n zwei Jahren nicht vermittelt.

In diesem Punkt hat Sebastian Kurz sicherlich nicht nur die Überzeugun­g der FPÖ umgesetzt, sondern seine eigene. Also wird er sich doch bewegen müssen ...

Beide werden sich bewegen müssen. Und gegen Integratio­n durch Leistung ist ja nichts einzuwende­n, aber deswegen kann man Menschen trotzdem anständig behandeln und ihnen mit Respekt begegnen.

Wenn Sie einen Tipp angeben müssten, wie hoch schätzen Sie die Chancen, dass wir 2020 eine ÖVP/Grüne-Koalition haben werden? Ich hoffe sehr, dass die Chancen bei mehr als 50 Prozent liegen.

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Die Ex-GrünAbgeor­dnete Monika Langthaler schätzt an Kogler seine Bodenständ­igkeit: „Chichi war ihm nie wichtig“
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